Die große Glühbirnenverschwörung

In den 1920ern vereinigen sich die führenden Glühbirnenhersteller zum berüchtigten Phoebus-Kartell. Heimlich beschließen sie, die Lebensspanne ihrer Birnen drastisch zu verkürzen. Ihr Plan: Weniger Lebensdauer, mehr Umsatz. Die Folgen davon spüren wir bis heute. 

Treffen sich eine Gruppe Glühbirnenhersteller in einer Bar und schmieden einen dunklen Plan. Was klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, ist tatsächlich genau so passiert. 1924 kommen die mächtigsten Männer der Branche nach Genf. Ihr Ziel: den weltweiten Glühbirnenmarkt so manipulieren, dass sie möglichst viel Geld verdienen können.

„1.000 Stunden und nicht mehr!“

Die schmutzigen Absprachen des Phoebus-Kartells

In Anlehnung an den griechisch-römischen Sonnengott wählte das Kartell den Namen Phoebus. Es ist ironisch, dass Phoebus ausgerechnet für göttliche Erleuchtung und Reinheit steht. Denn die Absprachen des Kartells sind alles andere als sauber. Offiziell trifft man sich, um Produktionsmethoden abzugleichen und Lampenfassungen zu vereinheitlichen. Intern geht es aber um viel mehr. In einem Dokument des Berliner Landesarchivs ist der wichtigste Beschluss der Genfer Sitzung festgehalten: „Die durchschnittliche Lebensdauer der Glühlampen darf nicht für einen Wert von mehr als 1.000 Stunden garantiert, beworben oder angeboten werden.“

Bis dahin brannten die meisten Glühlampen mindestens doppelt so lange. Dünnere Glühdrähte setzten dem nun ein Ende. Das kontrolliert das Kartell rigoros. Alle Phoebus-Mitglieder müssen ab 1924 regelmäßig Proben an die Testlabors des Kartells schicken. Für jede verkaufte Glühbirne, die länger brennt, müssen sie hohe Strafen zahlen.

Die Phoebus-Methode macht Schule

Der Beschluss des Kartells in Genf führt zum weltweit ersten Fall von bewusst herbeigeführtem Verschleiß. Im Fachjargon spricht man von geplanter Obsoleszenz. Damit steht ausgerechnet die Glühbirne, ein Symbol für Fortschritt und Erfindergeist am Anfang eines großen Betrugs.

„Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie fürs Geschäft.“

Das schreibt das US-Werbemagazin Printers‘ Ink im Jahr 1928, nur vier Jahre nach dem ersten Treffen des Kartells. Noch wenige Jahre zuvor war es selbstverständlich, Produkte so haltbar und sicher wie möglich zu machen. Das Credo: je besser ein Produkt, desto besser verkauft es sich.

Mit Beginn der Massenproduktion setzt ein neues Denken ein. Um ihren Absatz stetig zu steigern, sollen Konsument:innen fortlaufend neue Produkte kaufen. Um das zu erreichen, helfen Firmen immer öfter mit gezielt verarbeiteten Verschleißteilen nach. Das Ergebnis: Mehr Müll und mehr Verschwendung für denselben Lebensstandard.

Licht aus für das Kartell

Die illegalen Absprachen des Kartells fliegen 1942 auf. Unzählige Gerichtsverfahren später verbieten amerikanische Richter schließlich die künstliche Verkürzung der Lebensdauer. Strafen muss allerdings keines der beteiligten Unternehmen zahlen. Und auch für Kund:innen hat das Urteil keine Folgen. Doch auch nach dem Urteil brennen die Glühbirnen nicht wieder so lange wie vorher.

Auch wenn das Phoebus-Kartell längst Geschichte ist, die von ihnen begründete Kurzlebigkeit von Produkten ist es nicht. Bis heute kämpfen Verbraucherschützer:innen oft vergeblich vor Gerichten, um Herstellern künstlich verkürzte Lebenszeit nachzuweisen.

Konsument:innen wollen langlebige Geräte

Immer mehr Konsument:innen wollen da nicht mehr mitspielen. 9 von 10 Befragten einer Studie der TU Berlin geben an, dass ihnen lange Haltbarkeit und Robustheit beim Smartphone-Kauf wichtig ist. Damit sind diese beiden Faktoren die wichtigsten überhaupt bei der Kaufentscheidung. Die Botschaft an die Hersteller könnte nicht eindeutiger sein.

Um die Haltbarkeit unserer Geräte zu erhöhen, spielen Reparaturen eine wichtige Rolle. Und hier ist die Politik gefragt. Österreich bereits zwei wichtige Schritte gesetzt.

  • 2021 halbiert die Regierung die Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen von 20 Prozent auf 10 Prozent. Das heißt: Auf Reparatur wird nur mehr halb so viel Steuer gezahlt, wie bei einem Neukauf.
  • Seit Ende April dieses Jahres gibt es außerdem der bundesweiten Reparaturbonus von 200 Euro für die Instandsetzung von Elektroprodukten.

Frankreich geht einen etwas anderen Weg. Hier können Verbraucher:innen bereits beim Kauf eines Smartphones oder einer Waschmaschine vergleichen, wie einfach eine anfallende Reparatur des Gerätes sein wird. Ähnlich dem Energielabel ermöglicht der französische Reparatur-Index mit einer einfachen Grafik eine schnelle Einschätzung über die Reparierfähigkeit von Elektronikprodukten. Die Europäische Union plant an einen vergleichbaren Index für Smartphones.

Weg mit Wegwerfprodukten

Der Weg führt zurück zu langlebigen Produkten, die sich im Schadensfall reparieren lassen. Das schont Ressourcen, Umwelt und Klima und stärkt letztendlich auch kleine Betriebe in der Umgebung. Das Ende des geplanten Verschleißes ist damit eingeläutet! Bei dem Gedanken wäre dem Phoebus-Kartell wohl der Glühfaden durchgebrannt.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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