Mein Jahr mit dem Klimaticket

Vor einem Jahr, am 26. Oktober, hat das Klimaticket seine Fahrt aufgenommen. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Mehr als 200.000 Personen haben sich für das österreichweite Ticket entschieden. Auch ich bin Besitzerin eines Klimatickets – und es hat meine Mobilität mehr verändert, als ich zunächst erwartet habe. Ein Erfahrungsbericht.

Manchmal komme ich nicht umhin, die Menschen um mich herum zu belauschen. Meistens im Zug, wenn das Buch, das ich gerade lese, den Spannungsbogen verloren hat und ich mich leicht ablenken lasse. Letztens haben sich zwei Männer über das Klimaticket unterhalten. Der eine pendelt täglich aus dem Wiener Umland in die Bundeshauptstadt. Klimaticket hat er keines. Das hat den anderen überrascht. „Ich habe meine Monatskarte und nach Salzburg fahre ich vielleicht dreimal im Jahr“, so die Erklärung. Seine Monatskarte nach Wien kostet 115 Euro und gilt nur auf der ausgewählten Strecke. Die Tickets nach Salzburg muss er extra kaufen. Mit dem Klimaticket könnte er um 91 Euro im Monat beziehungsweise 1.095 Euro im Jahr alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich nutzen. Pro Tag sind das drei Euro.

Mehr als 200.000 verkaufte Tickets

Mehr als 200.000 Personen sind seit der Einführung im Oktober 2021 mit einem Klimaticket unterwegs. Am meisten die Wiener:innen. In der Bundeshauptstadt hat sich das Ticket bereits 60.100-mal verkauft. Gefolgt von Niederösterreich mit 48.100 verkauften Klimatickets. Eine davon bin ich.

Das Klimaticket hat meine Mobilität mehr verändert, als ich erwartet habe. Gekauft habe ich es, weil ich von Montag bis Freitag nach Wien pendle. Auch ich würde dafür 115 Euro im Monat bezahlen. Mit dem Klimaticket erspare ich mir also 24 Euro – und kann noch dazu durch ganz Österreich fahren. Durch das ganze Land habe ich es im ersten Jahr nicht geschafft. Aber zumindest nach Tulln, Gmünd und Bruck an der Mur. Orte, an die ich ohne Klimaticket wohl nie gefahren wäre. Vermutlich wäre mir nie bewusst geworden, wie unkompliziert man viele Städte und Regionen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht.

Klimaticket
Verkaufszahlen Klimaticket nach Bundesländern (Stand: Juli 2022)
Mit dem Zug in den Urlaub

Bei der Urlaubsplanung im Sommer habe ich das Klimaticket zum Anlass genommen, um sowohl auf Flugzeug als auch Auto zu verzichten. Erst ging es nach Salzburg. Genauer nach Kaprun. Mit dem Auto wäre ich laut Navigationsgerät auch nur zehn Minuten schneller gewesen. Und die Anreise mit Zug und Bus hat sich noch dazu entspannter für mich gestaltet als mit dem Auto. Meine zweite Reise hat mich nach Südtirol geführt. Der Großteil der Zugstrecke führt durch Österreich und war damit mit dem Klimaticket gedeckt. Nur für die letzten paar Kilometer musste ich ein italienisches Busticket kaufen. Mit dem Klimaticket kann man also auch bei Reisen ins Ausland sparen.

Mehr Sitzplätze kommen

Einen Sitzplatz reservieren, sollte man in den Fernverkehrszügen immer – sicher ist sicher. Denn ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht die Einzige bin, die nun öfter mit dem Zug fährt. Vor allem an Wochenenden und rund um Feiertage ist ein spontaner Ausflug mit dem Zug nicht so einfach. Denn die Züge waren nicht nur einmal überfüllt. Die gute Nachricht: Ab 2023 wird die Sitzplatzkapazität im Fernverkehr um rund 30 Prozent erhöht. Zudem wird bis 2029 das Bahnangebot ausgebaut. Unter anderem werden schrittweise neue, barrierefreie Fahrzeuge mit erhöhter Sitzplatzanzahl eingesetzt. Der Nahverkehr in Ballungsräumen soll ausgebaut und Bahnhöfe barrierefrei umgebaut werden. Insgesamt 19 Milliarden Euro sollen bis 2028 in denen Schienenverkehr investiert werden.

Dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird, ist wichtig. Nach Wien pendeln, funktioniert für mich gut. Von Wien aus in andere Regionen oder Städte zu kommen, funktioniert meist auch gut. In meinem direkten Umfeld auf das Auto zu verzichten, funktioniert gar nicht. Ich kann das Klimaticket in meiner direkten Umgebung nicht nutzen, weil es schlichtweg an Verbindungen fehlt. So geht es nicht nur mir. Menschen, die in Dörfern oder auch kleinen Städten leben, sind meist auf einen Pkw angewiesen, um von A nach B zu kommen.

Klimaticket macht Öffis leistbar

Für manche mag das erste Jahr Klimaticket eine Art Schnupperjahr gewesen sein. Man hat realisiert, wo man überall mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommt. Gesehen, dass selbst kleinere Städte gut angebunden sind. Das Klimaticket ist unkompliziert und praktisch. Man braucht nicht drei verschiedene Tickets für Bus, Zug und U-Bahn. Mit dem Klimaticket kann man alle öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Es macht auch öffentlichen Verkehr leistbar. Um nur drei Euro am Tag kommt man von Wien nach Bregenz – wenn man möchte. Für all jene, die kein Ticket für ganz Österreich brauchen, gibt es günstigere Tickets, die für das jeweilige Bundesland oder – im Fall von Wien, Niederösterreich und Burgenland – für eine Region gelten. Finanziert wird das Klimaticket durch die Erlöse aus dem Ticketverkauf und einem Zuschuss aus dem Bundesbudget. Für 2022 sind das 160 Millionen Euro. Zudem bekommen die Bundesländer für die regionalen Angebote 100 Millionen Euro vom Bund gefördert.

Über die/den Autor:In

Nicole Frisch
Nicole Frisch
Nicole studiert Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Das Ziel: Die Weltpolitik verstehen – und das Verstandene mit möglichst vielen Menschen teilen. Ihren Weg in den Journalismus hat sie über die NÖN gefunden. Ihre Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Migration und Vergangenheitspolitik.

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