Es war fertig gebaut und musste nur noch ans Netz gehen. Vor 45 Jahren kam es aber anders: Österreich entschied sich bei der Volksabstimmung dagegen, dass das Atomkraftwerk Zwentendorf in Betrieb genommen wird. Die Anti-Atomkraftbewegung hat damit gezeigt, dass es sich immer lohnt, zu kämpfen. Selbst dann, wenn die Situation hoffnungslos erscheint.
Es war knapp am 5. November 1978. 30.000 Stimmen entschieden über das Schicksal des Atomkraftwerks Zwentendorf – und damit auch über jenes von Österreich. 50,47 Prozent Wahlberechtigten entschieden sich gegen das Atomkraftwerk. Einen Monat später beschloss der Nationalrat das Atomsperrgesetz und hat damit Atomkraftwerke verboten.
Die Volksabstimmung war das Ende eines langen Protests. Die Vorzeichen waren schlecht. Denn das Atomkraftwerk im niederösterreichischen Zwentendorf war bereits fertig gebaut. Dennoch demonstrierten ab 1975 Menschen dagegen, dass es ans Netz geht. In ganz Österreich entstanden Gruppen und Bürgerinitiativen, die Widerstand leisteten.
Günther Pfaffenwimmer gründete mit fünf Studienkolleg:innen im April 1975 den Arbeitskreis Atomenergie. „Und da war schon klar, das Atomkraftwerk ist fertig und sollte im Herbst in Betrieb gehen. Wir haben gesagt, wir machen jetzt trotzdem Widerstand“, erinnert er sich zurück. Die Aktivist:innen haben Flugblätter verteilt, Broschüren und Pickerl verkauft, Veranstaltungen organisiert und Interviews gegeben. Auf Letzteres hat man sich gut vorbereitet. „In unseren wöchentlichen Sitzungen haben wir in einem Rollenspiel probiert, wie das ist, wenn man Für- und Wider-Diskussionen macht auf der Bühne. Das geht nicht mit langen Erklärungen“, erzählt Pfaffenwimmer.
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Mehr InformationenPfarrämter waren gute Kunden
In Graz war die Wohngemeinschaft von Doris Pollet-Kammerlander die Drehscheibe des steirischen Widerstands gegen das Atomkraftwerk. Die Wohnung war nicht nur Treffpunkt, sondern auch Lager für Zeitschriften, Plakate und Flugblätter. „Die besten Kunden bei uns waren die Pfarrämter. Sämtliche Pfarrämter in der Steiermark haben bei uns die Materialien bestellt, haben Veranstaltungen pro und kontra Zwentendorf durchgeführt. Dadurch ist diese Bewegung so stark gewachsen“, lässt Pollet-Kammerlander wissen.
In der Anti-Atomkraftwerksbewegung engagierten sich Menschen mit den verschiedensten Hintergründen. Sie kam aus linken Studierendengruppen und Kirchen, waren bürgerlich und zum Teil auch rechts. Es gab Spannungen, aber der gegenseitige Respekt hielt sie zusammen, die Ablehnung des Atomkraftwerks einte sie. Sie zweifelten an der Sicherheit des Atomkraftwerks, machten sich Sorgen um mögliche Langzeitfolgen und fragten sich, was mit dem radioaktiven Atommüll passieren soll. Letzteres ist bis heute ungeklärt. Sie protestierten auf der Straße und nutzten die Informationskampagne der Regierung, um vor Atomkraft zu warnen.
Mit der Informationskampagne wollte die Regierung Bedenken und Ängste rund um die Kernenergie zerstreuen. Doch das Ganze endete in einem Desaster. Zu den Vorträgen kamen mehrheitlich Gegner:innen der Atomkraft – und sie nutzten die Bühne, um ihre Kritik an der Atomkraft zu äußern.
Bewegung war von Anfang an motiviert
Die Stimmung in der Anti-Atomkraftwerksbewegung war von Anfang an gut. Und das, obwohl die Ausgangslage hoffnungslos schien. Die Aktivist:innen haben genügend Druck ausgeübt, sodass der Nationalrat im Juni 1978 eine Volksabstimmung beschlossen hat. „Dann ist das aufgegangen in eine Riesenaktion“, sagt Pfaffenwimmer. Die Aktivist:innen haben den ganzen Sommer durchgearbeitet. Sogar die Kronen Zeitung hat geholfen. Über Tage hinweg hat sie eine Serie mit Pro- und Kontra-Artikeln zu Atomkraftwerken gebracht.
Am 5. November hat sich dann eine knappe Mehrheit gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf ausgesprochen. Den Erfolg der Bewegung führt Pollet-Kammerlander darauf zurück, dass es eine Ein-Punkt-Bewegung war. Es gab einen Fokus: das Atomkraftwerk Zwentendorf. Und das machte die Mobilisierung einfach. Intern wurden auch andere Fragen diskutiert. Über Wirtschaft, Energie und Konsum. „Es ist wichtig zur Mobilisierung einen Fokus zu haben, ein Thema. Aber was genauso wichtig war nachher, genau diesen Fragen nachzugehen“, hält Pollet-Kammerlander fest.
Ein solches Ein-Punkt-Thema erkennt Pollet-Kammerlander auch heute. Im Klimawandel. „Das ist heute in aller Munde. Das kann man hernehmen und man kann sagen, das ist das Thema, mit dem wir an die Öffentlichkeit gehen. Gleichzeitig erklären wir, was damit alles zusammenhängt und wo überall die Schrauben angesetzt oder gelockert werden müssen“, meint sie.
Österreich lehnt Atomkraft bis heute ab
Die Proteste gegen Zwentendorf und die Volksabstimmung haben gezeigt, dass Engagement immer wichtig ist. Sogar dann, wenn die Ausgangslage nicht die beste ist. Es war der Anfang der starken Ablehnung von Atomkraft in der österreichischen Bevölkerung. Und sie war der erste laute Aufschrei der österreichischen Umweltbewegung. Ein paar Jahre später gründete sich die grüne Partei. In ihren Reihen viele, die zwischen 1975 und 1978 für ein atomfreies Österreich gekämpft haben.
Übrigens: Das Atomkraftwerk produziert heute doch Strom. Sonnenstrom.
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