Nur noch zwei Bundesländer haben echte Proporzregierungen. In Oberösterreich fordern die Grünen deshalb – wieder – die Abschaffung eines Systems, das für alle Beteiligten schlecht ist. Für die Regierung … und für die Opposition.
Neues Jahr, altes Thema in Oberösterreich: Wie sieht eigentlich eine sinnvolle Regierung für ein Bundesland aus? Welche Kompetenzen braucht ein Landesrat? Und: Welche Mehrheiten? Oberösterreich ist nach Niederösterreich das letzte Bundesland in Österreich, das noch immer am sogenannten Proporz-System festhält. Das heißt: Ab einer bestimmten Anzahl an Stimmen, ab einem bestimmten Prozent-Ergebnis bei den letzten Wahlen, erhält eine Partei automatisch einen Regierungssitz (bzw. mehrere Sitze, wenn das Ergebnis noch besser ausfällt).
Und zwar völlig unabhängig davon, ob die jeweilige Partei überhaupt Teil der politischen Koalition ist, also Teil jener Vereinbarung von mehreren Parteien, die gemeinsam eine Mehrheit haben und sich auf ein gemeinsames Programm für die kommenden Jahre einigen konnten. Das ist nicht nur völlig überholt – Vorarlberg hat dieses System bereits 1923 abgeschafft; zuletzt hat Kärnten es 2017 ad acta gelegt –, es ist auch unsinnig: Denn egal wer das Amt besetzt, hat er oder sie keine Mehrheit, ist der politische Einfluss ohnehin stark eingeschränkt.
Die Grünen Oberösterreich haben deshalb bei ihrem Jahresauftakt gefordert, dass dieses alte politische Denken auch in Oberösterreich endlich modernisiert wird – obwohl die Grünen mit Stefan Kaineder selbst einen Landesrat stellen. Der Landtagsabgeordnete Severin Mayr sagt: “SPÖ und FPÖ sperren sich dagegen, weil sie um ihrer Amterln fürchten.”
Wien hat ein ähnliches System mit “nicht-amtsführenden Stadträten”, auch hier besetzen Grüne zwei dieser Posten. Anders als in Oberösterreich kann Wien das Problem aber nicht alleine lösen, hier müsste der Bund mit einer Zweidrittelmehrheit helfen. Die Grünen haben sich auch hier schon um Mehrheiten bemüht, auch hier blockieren aber die anderen Parteien eine sinnvolle, moderne Lösung.
Demokratie mit Hausverstand:
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Proporz abschaffen
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Unterlagen offenlegen
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Landtag über Verordnungen informieren
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U-Kommission als Minderheitenrecht
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Unabhängiger Budgetdienst
“Wenn wir den Proporz abschaffen, dann gibt es eine klare Aufteilung der Rollen in Regierung und Opposition, so, wie es der Hausverstand für eine parlamentarische Demokratie auch vorsieht.” Severin Mayr
Im Gegenzug könnte man dann endlich auch die Oppositionsrechte in Oberösterreich stärken, sagt Mayr: “Alle Unterlagen der Regierungssitzungen offenlegen (inklusive Tagesordnung und Abstimmungsergebnissen), den Landtag vorab über Verordnungen informieren. Und es muss endlich auch einer Minderheit im Landtag möglich sein, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Das gilt im Parlament doch genauso – und es ist ein demokratiepolitischer Mindestandard.” Und: Ein unabhängiger Budgetdienst soll den Landtag mit Berechnungen, Beratungen und Kontrollen unterstützen.
Derzeit gibt es in Oberösterreich aber nur uralte politische Betonkonstellationen: eine Opposition ohne echte Kontrollrechte, aber mit Regierungssitzen … in denen sie um jeden Zentimeter Einfluss bitter kämpfen müssen. Weil sie keine Mehrheit haben.
Und in der Realpolitik steht aktuell aber auf der anderen Seite eine Koalition, die seit fast 100 Tagen nicht mehr öffentlich aufgetreten ist – offenkundig knirscht es wegen der rabiaten Corona-Politik der Blauen zwischen ÖVP und FPÖ, zwischen Stelzer und Haimbuchner. Aber die Koalition hält. Und das hat man dann am Ende von so einem Proporz-System: Regierungsämter ohne Mehrheit. Und eine Koalition, die trotzdem zusammenpickt. Das ist nicht Fisch, nicht Fleisch … das ist eine politische Nulldiät.