In Österreich wird seit langer Zeit über das System der Schüler:innenvertretung diskutiert. Ein Thema, das über eine Million junge Menschen betrifft und doch wenig Beachtung findet.
Österreich ist weltweit eines der wenigen Länder, welches eine im Gesetz verankerte Vertretung der Schüler:innen besitzt. Der Aufbau der Wahlstrukturen ist allerdings kompliziert, undemokratisch und unterstützt die eingesessene und größte Schüler:innenorganisation – die der ÖVP nahestehende Schülerunion. Die Bundesschulsprecher:in, welche die Stimme für über eine Million Schüler:innen darstellt, wird von nur 29 Personen gewählt. Warum ist das so?
Das Wahlverfahren erklärt
Die Wahl zur Bundesschüler:innenvertretung (BSV) erfolgt nicht direkt durch die Schüler:innen selbst, sondern über mehrere Ebenen. Jede Schule wählt zu Beginn des Schuljahres eine Schulsprecher:in. Diese Person ist dann stellvertretend für die ganze Schule am Ende des Schuljahres berechtigt, die Landesschüler:innenvertretung (LSV) zu wählen. Diese LSV setzt sich aus den Vertreter:innen aus den Ländern und drei Landesschulsprecher:innen zusammen. Warum nur drei? Pro Bereich (AHS / BMHS / BS) gibt es ein:e Landesschulsprecher:in. Nur diese drei sind dann wiederum Teil der Bundeschüler:innenvertretung (BSV). Diese BSV besteht aus drei Vertreter:innen. Jedes der 9 Bundesländer und zwei Vertreter:innen der Zentralen Lehranstalten (ZLA). Insgesamt also 29 Personen. Die Bundesschulsprecher:innen werden im Endeffekt dann von diesen 29 Personen gewählt. Um für dieses Amt kandidieren zu können, muss man selbst Teil der Bundesschüler:innenvertretung sein.
Wir haben am 19. September 2024 mit der neu gewählten Bundesschulsprecherin Mira Langhammer von der Schülerunion gesprochen. Wir haben nachgefragt, was sie umsetzen möchte, ihre Meinung zur Kritik am Wahlsystem eingeholt und über die Nähe der Schülerunion zur ÖVP gesprochen.
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Aufgaben der Vertretung
Die Landesschüler:innenvertretung ist die Stimme der Schüler:innen für das jeweilige Bundesland. Sie vertreten die Interessen der Schüler:innen gegenüber der Politik. Auf Landesebene gegenüber der Landesregierung und den Bildungsbeauftragten des Landes. Weiters organisieren sie das Schüler:innenparlament (SIP), in welchem Schüler:innen über Anträge zur Verbesserung des Bildungssystems abstimmen können. Die beschlossenen Anträge werden dann an den Bildungsausschuss der Landesregierung weitergeleitet und dort diskutiert. Zusätzlich gibt es Referate innerhalb der LSV, die an die gewählten Vertreter:innen zugeordnet werden. Diese sind unter anderem: Finanzen, Social Media, SIP, Veranstaltungen, etc.
Auf Bundesebene gilt das genannte dann ebenfalls für die Bundesschüler:innenvertretung (BSV). Sie bildet die Stimme für alle 1.1. Millionen Schüler:innen Österreichs und vertritt deren Interessen gegenüber der Politik. Vor allem gegenüber dem Bildungsministerium und dem Nationalrat. Im Speziellen auch gegenüber dem Bildungsausschuss des Nationalrates. Weiters organisiert die BSV das Österreichische Schüler:innenparlament (ÖSIP). In welchem ebenfalls wie auf Landesebene über Anträge diskutiert und abgestimmt wird. Diese werden dann im Bildungsausschuss des Nationalrats diskutiert und dem Bildungsminister vorgelegt. Man sieht also, dass ihre Stimme durchaus Gewicht hat.
Kritik am bestehenden System
Trotz der gesetzlich verankerten Vertretung wird das Wahlsystem oft von Expert:innen und drei der vier Schüler:innenorganisationen als undemokratisch und nicht repräsentativ kritisiert. Dieses System bevorzugt Strukturen, die vor allem der ÖVP nahestehenden Schülerunion nutzen. In Bundesländern mit mehr Schüler:innen wie Wien und Niederösterreich führt dies zu einer Unterrepräsentation. Denn Teil der BSV sind pro Bundesland nur drei Vertreter:innen, egal wie viele Schüler:innen in diesem Bundesland zur Schule gehen. Dies ist insofern unverständlich, da die Größe der Landesschüler:innenvertretung sehr wohl abhängig ist von der Anzahl der im Bundesland zur Schule gehenden Schüler:innen. Zum Beispiel besteht die LSV in Vorarlberg aus nur sechs Personen. In Niederösterreich und Wien aus jeweils 24 Personen.
Forderung nach Reform
Es gibt eine wachsende Forderung nach einer Direktwahl der Vertretungen durch die Oberstufenschüler:innen. Konkret wird gefordert, dass alle Schüler:innen der Oberstufe Österreichs berechtigt sind, sowohl die LSV als auch die BSV direkt zu wählen. Drei der vier bundesweiten Schülerorganisationen (AKS, Junos_Schülerinnen und Verde) unterstützen diese Forderung, während die Schülerunion sich gegen solche Änderungen ausspricht. Warum? Weil die Schülerunion durch dieses System profitiert und bereits seit mehr als einem Jahrzehnt durchgehend die Bundesschulsprecher:in stellt.
Schülerunion – Parteiunabhängig?
Die mit Abstand größte Schüler:innenorganisation ist die Schülerunion oder kurz SU. Sie stellt sich selbst oft als parteiunabhängig und neutral dar. Weiterhin argumentiert sie damit, dass sie die gesamte Bundeschüler:innenvertretung widerspiegeln, denn sie stellen den größten Anteil der Vertreter:innen innerhalb der BSV. Das ist zwar richtig, hat jedoch einen Hintergrund und dieser hat wenig mit Inhalten oder Lösungsvorschlägen für die Probleme der Schüler:innen zu tun. Sie besitzen sowohl finanzielle Mittel als auch organisatorische und personelle Strukturen wie keine andere Schüler:innenorganisation. Mit den finanziellen Mitteln, welche sie unter anderem durch den „Verein der Freunde der Schülerunion“ beziehen, welcher Teil des ÖVP-Systems ist. Gegründet wurde die Schülerunion aus den beiden Vorfeld-Organisationen der ÖVP: dem Mittelschüler-Kartell-Verband und der Jungen ÖVP. Seitdem sind einige ÖVP-Politiker:innen aus der Schülerunion auf die politische Bühne gewechselt, unter anderem Othmar Karas oder Nico Marchetti. Während der Wahlkämpfe und vor allem an den Wahltagen nutzen sie dieses System und die zugehörigen Funktionär:innen der anderen ÖVP-nahestehenden Organisation. Sie zeigen Präsenz und versuchen, die wahlberechtigten Schulsprecher:innen zu manipulieren, bedrängen und zu beeinflussen. Wie so etwas genau aussehen kann und welch großen Impact dieses Vorgehen auf Wahlen haben kann, könnt ihr in unserer Wahlreportage zu den LSV-Wahlen auf Instagram sehen.
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Mehr InformationenFazit
Die Schüler:innenvertretung in Österreich steht vor einer wichtigen Entscheidung. Die Forderung nach direkteren Wahlmöglichkeiten zielt darauf ab, eine gerechte und repräsentative Vertretung zu schaffen. Dabei geht es um einen Prozess, welcher durch die Politik bestimmt und gelenkt werden muss. Denn es handelt sich um Änderungen eines Gesetzes und um Entscheidungen, die vor allem im Bildungsministerium getroffen werden müssen. Dieses aktuelle System vertritt die Schüler:innen Österreichs nicht. Es fördert bestehende Strukturen, dient als Kaderschmiede für politische Parteien und fördert nur die bereits enorm starke Politik-Verdrossenheit bei jungen Menschen. Diese wollen mitreden, mitbestimmen und für ihre Interessen einstehen können.