Jedes Kind hat Rechte

Kinder sollen sich wohlfühlen. Sie sollen denken dürfen, ernst genommen werden und sich in ihrem Sein frei entfalten können. All das sollen die Kinderrechte garantieren. Sie sind der Grundstein für eine kinderfreundliche Welt.

„A g’sunde Watschen“ schadet doch nicht, vielmehr gehört sie zu einer guten Erziehung. Eine veraltete Erziehungsmaßnahme sollte man meinen. Doch Fakt ist, dass auch in österreichischen Familien körperliche Gewalt alltäglich ist. Gewalt gegen Kinder hat viele Gesichter. Denn neben physischer Misshandlung gibt es auch andere Formen der Gewalt wie Vernachlässigung, sexuelle Übergriffe, finanzielle Ausbeutung oder psychische Gewalt. Dabei gehört ein gewaltfreies Leben zu den UN-Menschenrechten und so auch zu den Rechten jeden Kindes. Mit der 1989 beschlossenen UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder erstmalig eigene, an ihre speziellen Bedürfnisse angepasste Rechte erhalten. Diese Rechte sind weltweit vertraglich festgehalten worden und von nahezu allen Staaten anerkannt. Anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte am 20. November schauen wir uns die UN-Kinderrechte sowie die österreichischen Kinderrechte genauer an.

Die Entstehung der UN-Kinderrechtskonvention

Vor über 30 Jahren, am 20. November 1989, wurde von den Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention verabschiedet. Sie besteht aus 54 Artikel, die jedem Kind, also jedem Mädchen und Jungen bis zum 18. Lebensjahr grundlegende politische, soziale, ökonomische, kulturelle und bürgerliche Rechte zusichert. Ziel dieser Rechte ist, dass alle Kinder auf der Welt gesund und sicher aufwachsen und sich gut entfalten können. Auch jegliche Form von Gewalt, also physische und psychische, ist verboten. Mit der Kinderrechtskonvention werden Kinder und Jugendliche erstmalig als selbstständige Träger:innen von Rechten anerkannt, die als solche auch respektiert werden müssen. Die oberste Regel der Kinderrechte dabei lautet: Das Wohl des Kindes steht immer an erster Stelle. Dementsprechend muss gehandelt werden. Die Konvention wurde von 196 Staaten unterzeichnet und gilt damit als der erfolgreichste Völkerrechtsvertrag aller Zeiten.

Die vier Grundprinzipien der Kinderrechtskonvention

Die 54 Rechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention formuliert sind, beruhen auf folgenden vier Grundprinzipien. Diese besagen, dass Kinder zu einer besonders schutzbedürftigen Gruppe mit ganz speziellen Bedürfnissen gehören:

  • Kindeswohl: Bei allen Entscheidungen, die Kinder und Jugendliche betreffen, muss das Wohl des Kindes besonders berücksichtigt werden. Das gilt sowohl bei Gesetzen, vor Gericht als auch bei besonderen Maßnahmen. Das Wohl des Kindes soll immer an erster Stelle stehen.
  • Mitbestimmung: Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Belangen zu beteiligen, die sie betreffen. Sie dürfen mitreden, sich versammeln und haben das Recht auf eine eigene Meinung. Dazu gehört beispielsweise das Wahlrecht, das in Österreich von 18 auf 16 herabgesetzt wurde.
  • Entwicklung: Kinder und Jugendliche haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Ausbeutung und Kinderarbeit. Sie dürfen nicht geschlagen oder misshandelt werden. Dementsprechend ist auch die g’sunde Watschen verboten!
  • Verbot der Diskriminierung: Alle Kinder und Jugendliche sind gleich und haben die gleichen Rechte. Benachteiligt zu werden, weil sie eine andere Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Geschlecht oder Ähnliches haben, ist nicht zulässig.

Diese Grundprinzipien dienen als Basis für die UN-Kinderrechte. Zu denen gehören beispielsweise das Recht auf Bildung und auch das Recht auf Gesundheit. Das heißt, Kinder haben das Recht zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht (Artikel 28). Das Recht auf Gesundheit beinhaltet, dass alle Kinder das Recht haben gesund zu leben, Geborgenheit zu finden und keine Not erleiden zu müssen (Artikel 24). Auch Spiel und Freizeit ist ein Grundrecht, das jedem Kind zusteht. So heißt es, im Artikel 31, dass Kinder das Recht haben zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein. Alle UN-Kinderrechte findet ihr hier.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Kinder sind von den Folgen der Klimakrise besonders stark betroffen. Jedes Jahr sterben rund 1,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren durch Umweltschäden wie verseuchtes Wasser, Smog und Giftstoffen oder an Naturkatastrophen wie Dürre oder Überschwemmungen. Laut Klima-Risiko-Index des UN-Kinderhilfswerks sind fast die Hälfte aller Mädchen und Jungen auf der Erde von den Auswirkungen des Klimawandels extrem stark gefährdet. Dennoch hat es bis 2021 kein Recht auf eine gesunde Umwelt gegeben.

Damit Kinder ihr Potenzial jedoch bestmöglich entwickeln können, benötigen sie eine intakte und saubere Umgebung. Eine gesunde Umwelt ist dabei genauso essenziell wie eine ausreichende finanzielle Absicherung, gute Bildung und Entfaltungsmöglichkeiten. Das bedeutet, Kindeswohl und Umweltschutz sind untrennbar miteinander verbunden. Deshalb forderte der UN-Kinderrechtsrat 2021 auch, dass Staaten für die negativen Folgen der Klimakrise auf Kinder Verantwortung übernehmen müssen und dass jedes Kind ein Recht auf eine gesunde Umwelt hat.

Das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt wurde Oktober 2021 durch den UN-Menschenrechtsrat und im Juli 2022 durch die UN-Generalversammlung als grundlegendes Menschenrecht anerkannt.

Kinderrechte in Österreich

In Österreich ist das Übereinkommen über die Kinderrechte im Jahr 1992 in Kraft getreten. Österreich war damit nach Schweden, Finnland und Norwegen der vierte Staat weltweit, der gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert hat – allerdings nur auf Stufe eines einfachen Bundesgesetzes. Das heißt, die Kinderrechte sind vom Nationalrat nicht in die Verfassung verankert worden. Die Rechte der Kinder vor dem Gericht oder vor Behörden unmittelbar anzuwenden, war daher nicht möglich bzw. schwierig. Erst 2011, also 19 Jahre später, hat der österreichische Nationalrat beschlossen, einen Teil der Kinderrechte in abgeschwächter Form in die Bundesverfassung aufzunehmen. Daraus entstanden die sogenannten Rechte der Kinder (BVG Kinderrechte).

Die 8 Artikel der österreichischen Kinderrechte

Artikel 1: Das Wohl der Kinder steht immer an erster Stelle. Das heißt, bei allen Maßnahmen, die ein Kind betrifft, muss es immer vorrangig sein, dass es dem Kind gut geht. Es hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge, damit es sich bestmöglich entwickeln und entfalten kann.

Artikel 2: Recht auf beide Eltern. Das heißt, jedes Kind hat das Recht, beide Elternteile regelmäßig zu treffen und direkten Kontakt mit ihnen zu pflegen. Außer, wenn dem Kind der Kontakt nicht guttut. Zudem hat jedes Kind, das dauerhaft oder vorübergehend nicht bei seiner Familie wohnt oder mit ihr Kontakt hat, Anspruch auf einen besonderen Schutz und Beistand vonseiten des Staates.

Artikel 3: Kinderarbeit ist verboten. Das heißt, in Österreich dürfen Kinder erst dann arbeiten, wenn sie nicht mehr schulpflichtig sind. (Die Schulpflicht dauert elf Schulbesuchsjahre, sie endet spätestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres.)

Artikel 4: Die Meinung von Kindern zählt. Das heißt, immer dann, wenn es um Entscheidungen geht, von denen ein Kind betroffen ist, ist die Meinung des Kindes zu berücksichtigen – es hat das Recht mitzureden, seine Meinung zu sagen und Wünsche zu äußern.

Artikel 5: Gewalt gegen Kinder ist vom Gesetz verboten. Das heißt, jedes Kind hat ein Recht, gewaltfrei erzogen zu werden. Also eine Erziehung ohne körperliche oder seelische Bestrafung, Ausbeutung, sexuellen Missbrauch usw. Wenn ein Kind trotz Schutzmaßnahmen Opfer von Gewalt oder von Ausbeutung geworden ist, hat es das Recht auf Wiedergutmachung und auf Wiederherstellung seiner körperlichen und seelischen Gesundheit.

Artikel 6: Besonderer Schutz für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Das heißt, Kinder mit Behinderung müssen besonders geschützt werden. Sie sollen im täglichen Leben die gleichen Möglichkeiten haben wie nicht-behinderte Kinder. Deshalb sollen sie im alltäglichen Leben besonders unterstützt werden.

Artikel 7:  Ausnahmefälle! Die Artikel 1,2,3,4 und 6 dürfen in Österreich nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden, und zwar dann, wenn durch die Artikel die Rechte anderer Menschen verletzt werden.

Artikel 8: Die Kinderrechte müssen von allen beachtet werden. Das heißt, die Bundesregierung, die Landesregierung und die Gemeinden müssen dafür sorgen, dass die Kinderrechte beachtet werden. Auch alle sonstigen staatlichen Einrichtungen und privaten Stellen müssen sich in Österreich an das Kinderverfassungsrecht halten.

Die UN-Kinderrechts-Prüfung

Jeder Staat, der die UN-Kinderrechtskonvention unterschrieben hat, verpflichtet sich alles zu tun, um die Kinderrechte einzuhalten. Um das zu überprüfen, kommt es alle fünf Jahre von den Vereinten Nationen zu einer Kinderrechts-Prüfung. Bei der letzten Überprüfung in Österreich 2019/2020 kam heraus, dass die Kinderrechte sehr mangelhaft umgesetzt worden sind. Grund für die harte Kritik war unter anderem das Kopftuchverbot an Schulen, fehlende Inklusion von Kindern mit Behinderungen und auch die Behandlung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.

Die UN-Kinderrechtsschule: Stellt euch vor, es ist Schule und jede:r will hin

Damit Kinder nicht gänzlich auf die (Un-)Fähigkeit der Erwachsenen bei der Umsetzung und Einhaltung ihrer Rechte angewiesen sind, sondern selbst für sich einstehen können, ist es wichtig, dass sie ihre Rechte gut kennen. „Nur wenn Kinder ihre Rechte kennen, können sie selbst aktiv werden und die Gesellschaft von heute und morgen mitgestalten. Aus diesem Grund legen wir, von UNICEF, den Schwerpunkt unserer Arbeit hier in Österreich darauf, die Kinderrechte bekannter zu machen und im Alltag der Mädchen und Buben, sei es in der Schule, oder in der eigenen Gemeinde, zu verankern“, erklärt Christoph Jünger, Geschäftsführer von UNICEF Österreich.

Aus diesem Grund gibt es seit Herbst 2022 in Österreich die UN-Kinderrechtsschulen. Unter dem Motto „Wir leben Kinderrechte“ unterstützt UNICEF Schulen dabei, die UN-Kinderrechtskonvention im Unterricht und im Schulalltag zu verankern. In den Kinderrechteschulen lernen Kinder und Jugendliche nicht nur ihre Rechte kennen. Sie erleben ihre Schule als einen Ort, an dem Kinderrechte gelebt werden. Das hilft ihnen auch bei ihrer Entwicklung. Denn wer weiß, was er oder sie kann, darf und was ihm oder ihr zusteht, wird selbstbewusster, setzen sich aktiv für seine Rechte und die von anderen ein und gestalten so die Zukunft positiv mit. Mitmachen kann jede österreichische Schule, den Link dafür, gibt es hier.

Über die/den Autor:In

Linda Weidinger
Linda Weidinger
Linda hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie CREOLE an der Uni Wien studiert. Die letzten Jahre arbeitete sie als Journalistin und Social Media-Redakteurin. Ihr Ziel: Die Menschen aufzuklären. Ihr Traum: eine offene, tierliebe und tolerante Gesellschaft. Ihre Schwerpunkte: Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz.

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