Die Mietpreisbremse ist abgesagt. Die ÖVP war trotz zahlreicher Zugeständnisse der Grünen nicht bereit, die anstehende Mieterhöhung auf 3,8 Prozent zu drosseln. Statt einer breiten Entlastung für alle kommt nun eine Einmalzahlung für einkommensschwache Haushalte.
Da ist sie wieder, die gefürchtete Abbuchung. Bei vielen Österreicher:innen verabschiedet sich zu Monatsbeginn die Hälfte des Einkommens auf das Konto von Vermieter:innen. Jeden Monat, pünktlich wie die Uhr. Steigende Mieten reisen ein immer größeres Loch ins Budget vieler Menschen. Nicht zuletzt, weil auch alles andere im letzten Jahr teurer geworden ist. Bis zuletzt haben diese Menschen auf eine Mietpreisbremse gehofft. Seit Mittwoch ist aber klar: Sie kommt nicht.
Mieten steigen um die vollen 8,6 Prozent
Damit steigen mit 1. April die Richtwertmieten von rund 400.000 Haushalten um 8,6 Prozent – also um die volle Höhe der Inflation. So sieht es das Mietrechts- und Richtwertgesetz vor. Das Gesetz gilt für Altbauwohnungen, die vor 1945 gebaut wurden. Der Richtwert dient als Basis für die Berechnung der Miete und wird alle zwei Jahre an die Inflationsrate angepasst.
Bremse mit ÖVP nicht umsetzbar
Das wollten die Grünen in der Regierungskoalition mit der Mietpreisbremse ändern. Dazu war die ÖVP aber trotz zäher Verhandlungen nicht bereit. Der grüne Vorschlag sah vor, die Mieterhöhung 2023 auf 3,8 Prozent herunterzusetzen. Der Rest der Mietanhebung hätte sich dann gleichmäßig auf die Jahre 2024 und 2025 verteilt. Immobilienbesitzer:innen hätten also die Mieterhöhung verspätet erhalten – aber sie hätten sie erhalten. Der Vorschlag der Grünen fand breite Unterstützung unter Wirtschaftsforscher:innen. Gabriel Felbermayr etwa, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), bezeichnete die Mietpreisbremse im ZIB 2-Interview als „absolut sinnvoll.“
Das kommt stattdessen
Doch statt der Bremse stellt der Bund den Bundesländern nun zusätzlich 225 Millionen Euro für Wohn- und Heizkostenzuschüsse zur Verfügung. Weitere 25 Millionen Euro gibt es für den Wohnschirm, der Menschen vor der Delogierung aus ihrer Wohnung bewahren soll. Das Geld soll zielgerichtet an einkommensschwache Haushalte gehen. Wer wie viel Förderung aus dem aufgestockten Topf bekommt, lässt sich auf den Förderseiten der einzelnen Bundesländer nachlesen.
Mietpreisbremse hätte jeden Monat aufs Neue entlastet
Die Zuschüsse sind ein notwendiger Kompromiss, den die Grünen im letzten Moment der ÖVP abgerungen haben. Denn Menschen mit niedrigem Einkommen brauchen angesichts der steigenden Wohnkosten dringend Unterstützung. Denn sieben von zehn armutsgefährdeten Menschen wohnen in Miete. Trotzdem sind Einmalzahlungen kein dauerhafter Ersatz für eine Mietpreisbremse. Zuschüsse wirken einmal, eine Mietpreisbremse hätte jeden Monat aufs Neue entlastet.
Preisspirale dreht sich weiter nach oben
Eine Mietpreisbremse hätte nicht nur Mieter:innen entlastet, sondern alle. Das sieht auch der WIFO-Chef so. Auf Twitter schreibt er: „Ich dachte, mittlerweile sei verstanden worden, dass immer neue Zahlungen zwar soziale Härte abfedern können, aber die Inflation nicht dämpfen, sondern sogar befeuern.“
(1/2) Bedauerlich.
Ich dächte, mittlerweile wäre verstanden, dass immer neue Cash-Transfers zwar soziale Härten abfedern können, aber die Inflation nicht dämpfen, sondern sogar befeuern.@WIFOat @MagratheanTimes @WKOe @Arbeiterkammer @oegb_at @ksoe_at https://t.co/qpbr5FJfIj— Gabriel Felbermayr (@GFelbermayr) March 22, 2023
Im Gegensatz zu Einmalzahlungen hätte eine Bremse gleichzeitig auch die Inflation gebremst. Das können Einmalzahlungen nicht leisten. Die Inflationsspirale dreht sich damit weiter nach oben. Denn die steigenden Mieten werden wieder in die offizielle Inflationsrate hineingerechnet – und das erhöht die Mieten im nächsten Jahr noch einmal mehr. Österreichs Inflation liegt mit 11 Prozent ohnehin schon zwei Punkte über dem Durchschnitt in der Eurozone.
Steigende Mieten für viele heißt hohe Einkünfte für wenige
Das Geld für die Einmalzahlungen kommt aus dem Steuertopf. Die Mietpreisbremse hätte sich durch die geringeren Einnahmen auf Vermieter:innenseite geäußert. Und damit dem Staat keine direkten Kosten verursacht. Dass die Bremse nicht kommt, freut also vor allem Immobilienbesitzer:innen – und das sind vor allem Menschen mit viel Geld. 80 Prozent der Einnahmen aus Mieten finden sich am Ende des Monats im Börsel des reichsten Zehntels wieder.
Auch die Mittelschicht braucht Entlastung
Einkommensschwache Haushalte finanziell zu unterstützen, ist wichtig. Dazu zählen junge Menschen, Alleinerzieher:innen und ältere Menschen mit einer kleinen Pension. Sie verdienen Unterstützung, oft können sie ihre Miete kaum mehr stemmen. Aber die Teuerung frisst sich auch immer mehr in die Mittelschicht. Eine Mietpreisbremse hätte auch sie entlastet. Denn auch die Budgets der Mittelschicht sind in den letzten 12 Monaten deutlich geschrumpft. Vor allem junge Menschen, die vermehrt in Miete wohnen, hätten eine Entlastung dringend gebraucht.
- Auch interessant: Ab Juli keine Maklerprovision mehr
- Datenlücke in der Medizin: Warum Frauen in der Medizin oft vergessen werden
- Gleichstellung: Warum weniger Arbeit mehr Geschlechtergerechtigkeit bringt