Die Ukraine und die Republik Moldau sind die neuesten EU-Beitrittskandidaten. Der erste Schritt in Richtung EU-Mitgliedschaft ist damit getan. Insgesamt warten derzeit sieben Länder auf ihre Aufnahme in die Europäische Union. FREDA hat sich angesehen, wie der oft lange und komplizierte Aufnahmeprozess aussieht.
Seit ihrer Gründung 1952, damals noch unter dem Namen Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, ist die Europäischen Union von sechs auf 27 Mitgliedsstaaten angewachsen. Hinzu kommen aktuell die sieben Beitrittskandidaten Türkei, Montenegro, Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Ukraine und Moldau.
Wie wird ein Land ein Beitrittskandidat?
Grundsätzlich gilt: Jedes europäische Land kann einen Antrag auf Mitgliedschaft bei der Europäischen Union stellen. Um aber tatsächlich aufgenommen zu werden, muss es bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Die Werte der Europäischen Union achten und fördern. Zu diesen Werten gehören die Achtung der Menschenwürde, Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.
- Die Kopenhagener Kriterien erfüllen.
Was sind die Kopenhagener Kriterien?
Die Kopenhagener Kriterien sind 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen beschlossen worden. Daher auch der Name. Die Kriterien sind in drei Teile gegliedert: politische, wirtschaftliche und sogenannte Acquis-Kriterien.
Die Kriterien:
- Politisches Kriterium: Institutionelle Stabilität. Das heißt eine stabile nicht ständig wechselnde Regierung, keine gesetzesfreien Gebiete und keine Militär- ähnlichen Unterorganisationen oder mächtige Clans. Aus EU-Sicht sind das die Voraussetzungen für:
- eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung,
- die Wahrung der Menschenrechte für alle Bürger:innen des Landes,
- die Achtung und den Schutz von Minderheiten.
- Wirtschaftliches Kriterium: Der Beitrittskandidat muss eine funktionierende Marktwirtschaft haben und fähig sein, dem Wettbewerb innerhalb der EU-Länder standzuhalten. Ziel ist eine florierende und wachsende Wirtschaft innerhalb der EU. Zudem muss das neue Mitglied bereit sein, einen zollfreien Warenverkehr innerhalb der Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Die Kommission überprüft außerdem die Arbeitslosenquote, Inflation, Finanzpolitik und den Bankensektor des Beitrittskandidaten.
- Acquis-Kriterium: Hier muss der Beitrittskandidat die umfangreichen politischen sowie wirtschaftlichen Ziele der EU in sein nationales Recht integrieren und verankern. Das dauert mitunter zehn bis 15 Jahre und ist der zeitaufwendigste Punkt im gesamten Beitrittsprozess. Es müssen alle EU-Rechtsvorschriften sowie der Euro akzeptiert werden.
Für die Aufnahme als Beitrittskandidat müssen die im ersten Punkt genannten politischen Kriterien bereits erfüllt sein. Die wirtschaftlichen sowie die Acquis-Kriterien hingegen können im Laufe des Beitrittsverfahrens umgesetzt werden. Spätestens beim Abschluss der Verhandlungen, also vor dem tatsächlichen EU-Beitritt, muss das Land alle Kriterien erfüllen.
Ziel der Kriterien
Mit Erfüllung der Kriterien soll sich das Kandidatenland an das Niveau der EU annähern und sich bestmöglich integrieren, um weiterhin ein gemeinsames System von Normen und Werten gewährleisten zu können. Dabei unterstützt die EU den Kandidaten während des Beitrittsprozesses mit strategischen Wegweisern und Instrumenten.
Beitrittsverfahren: Wie funktioniert das?
Sind die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft gegeben, muss das Kandidatenland ein dreistufiges Beitrittsverfahren durchlaufen. Das ist gegliedert in Antragstellung, Verhandlung und Ratifizierung.
- Antragstellung: Der Beitrittskandidat legt dem EU-Rat einen Mitgliedsantrag vor. Eine eigens dafür zuständige Beitrittskommission prüft dann, ob die oben erläuterten Kopenhagener Kriterien erfüllt sind und eingehalten werden. Passt alles, beginnen die Verhandlungen über den Beitritt. Wenn nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Antrag abgelehnt oder verschoben.
- Die Verhandlung: In dieser Phase werden unter anderem die Bereiche Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Rechtsstaatlichkeit und einige mehr mit dem Beitrittskandidaten verhandelt. Wegen der großen Anzahl an EU-Vorschriften und Regelungen, die jedes Land umsetzen muss, können diese Verhandlungen bis zu ihrem Abschluss mehrere Jahre andauern. Währenddessen erhält der Beitrittskandidat von der EU finanzielle Zuschüsse und professionelle Unterstützung, um die geforderten Kriterien bestmöglich umsetzen zu können.
- Ratifizierung: Sind alle Voraussetzungen erfüllt und die Kriterien praktisch umgesetzt, stimmen alle Mitgliedsstaaten über den Beitritt des Neumitgliedes ab. Nur wenn eine absolute Mehrheit der Stimmen für einen Beitritt ist, kann der Beitrittsvertrag unterschrieben werden und das Bewerberland wird zum neuen EU-Mitglied.
Die Ukraine und Moldau haben als jüngste Beitrittskandidaten ihren Status schneller erhalten als gewöhnlich. Das ist in erster Linie eine wichtige symbolische Geste für Freiheit, Demokratie und Gemeinschaft. Vor allem für die vom russischen Angriffskrieg gepeinigten Ukraine. Der Weg zu einer vollwertigen EU-Mitgliedschaft dürfte aber für beide noch lang sein.