Femizide müssen verhindert werden

Der Ruf nach Maßnahmen gegen Femizide in Österreich bleibt laut: In den letzten sechs Monaten wurden 16 Frauen ermordet, jede Dritte davon in Wien. Die Wiener Grünen fordern nun einen Gewaltschutzgipfel. Das Präventionsprojekt Stadtteile ohne Partnergewalt wird bis Mai 2023 österreichweit ausgebaut.

Sie wurden erschlagen, erschossen, erstochen und erwürgt. Auf einem Parkplatz und in den meisten Fällen in den eigenen vier Wänden. Allein aus einem Grund: weil sie Frauen sind. 16 mutmaßliche Femizide wurden seit Jahresbeginn verübt. Die Täter sind in allen Fällen männlich und sie stehen in allen Fällen in einem Naheverhältnis zu den Opfern. Der (Ex-)Partner, der Vater, der Sohn, ein Bekannter.

  • Femizid: „Vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts bzw. aufgrund von ‚Verstößen‘ gegen die traditionellen sozialen und patriarchalen Rollenvorstellungen, die Frauen zugeschrieben werden.“ (Definition der AÖF)

Fünf Frauen wurden allein dieses Jahr in Wien ermordet. Die Wiener Grünen fordern daher einen Gewaltschutzgipfel. „Fast jeder dritte Femizid in Österreich wird in Wien verübt. Diese hohe Zahl ist alarmierend. Was es jetzt braucht, ist ein Wiener Gewaltschutzgipfel mit dem Fokus auf Gewaltprävention“, sagt Frauensprecherin Viktoria Spielmann. Die vorhandenen Präventionsmaßnahmen würden nicht ausreichen, um Femizide zu verhindern. Bei dem Gipfel sollen daher Mitarbeiter:innen des Gewaltschutzes, der Gewaltprävention und der Täterarbeit gemeinsam mit der Politik Lösungen ausarbeiten.

Macht und Kontrolle als Auslöser

Gewalt gegen Frauen kann viele Formen annehmen. Femizide stehen dabei an der Spitze. Gewalt beginnt also schon lange davor, in Form von abfälligen Bemerkungen, Psychoterror, Schlägen und sexueller Gewalt. Nicht selten wechseln sich Phasen von Aggression und Gewalt und Phasen von Entschuldigungen und Liebesversprechen ab. Alle Gewaltformen haben aber eines gemeinsam: Der Mann will Macht und Kontrolle über die Frau haben. Dass Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen immer noch benachteiligt sind, lässt ein Machtgefälle zwischen Männern und Frauen entstehen. Das wiederum befördert geschlechtsbasierte Gewalt. Das erklärt auch, warum gerade Trennungen für Frauen so gefährlich sind. Sie entziehen sich dadurch der Kontrolle des Mannes, der das nicht akzeptieren will und mit Gewalt reagiert. Gewalt gegen Frauen und Femizide sind ein gesellschaftliches Problem. Solange patriarchale Rollenbilder, die die dazu führen, dass Männer und Frauen ungleich behandelt werden, nicht bekämpft werden, wird der Kreislauf der Gewalt immer weitergehen. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen muss daher ein gesellschaftlicher sein.

Die Istanbul Konvention ist das erste völkerrechtlich bindende Instrument, um Gewalt an Frauen in Europa zu bekämpfen. Das heißt, die Staaten, die sie unterzeichnet haben, müssen die Maßnahmen bestmöglich umsetzen. Beispielsweise, indem die Bevölkerung für Gewalt an Frauen sensibilisiert wird oder Frauenhäuser eingerichtet werden. In Österreich ist die Istanbul Konvention 2014 in Kraft getreten.

Jede:r kann etwas tun

Das Projekt Stadtteile ohne Partnergewalt (StoP) setzt auf Zivilcourage. Gewalt soll zurückgedrängt werden, indem die Nachbarschaft aktiv eingebunden wird. Denn jede:r kann etwas tun und sagen.  2019 wurde in Wien Margareten der erste Standort vom AÖF umgesetzt, mittlerweile gibt es zwölf. Bis Mai 2023 sollen zehn weitere Standorte kommen. Das Sozialministerium hat Anfang Mai bekannt gegeben, dafür die jährliche Fördersumme von 695.000 auf 985.000 Euro zu erhöhen.

Für Männergewalt sensibilisieren will auch die Kampagne des Sozialministeriums „Mann spricht’s an“. Sie soll Betroffene und Täter über Hilfs- und Unterstützungsangebote aufklären. Aber auch Angehörigen von Betroffenen oder Zeug:innen aufzeigen, was sie tun können, um Gewalt zu verhindern. Um Opfer zu schützen, muss mit Burschen und Männern gearbeitet werden. Denn nur so kann Gewalt verhindert werden.

Jede fünfte Frau von Gewalt betroffen

Die Zahl der Femizide in Österreich ist seit Jahren konstant hoch. 2021 und 2020 wurden jeweils 31 Frauen ermordet. Ein Höchststand wurde 2018 erreicht: 41 ermordete Frauen. Gleichzeitig sind sie aber nur die Spitze der Gewalt. Denn die beginnt bereits lange vor dem ersten tätlichen Angriff. Ungleiche Verteilung von Geld innerhalb der Familie, Verbote, Drohungen und auch Psychoterror sind bereits Formen von Gewalt. Jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr ist von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen, jede dritte wird sexuell belästigt und jede siebente gestalkt. Dieses erschreckende Bild zeigen Zahlen der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF). Dass Frauen mit Gewalt konfrontiert sind, ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem: die Ungleichbehandlung von Mann und Frau. Ziel der Gewalt sind Macht und Kontrolle.

  • Frauen, die von Gewalt betroffen sind, finden bei der Frauenhelpline gegen Gewalt unter 0800 222 555  rund um die Uhr Unterstützung und Hilfe.

Über die/den Autor:In

Nicole Frisch
Nicole Frisch
Nicole studiert Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Das Ziel: Die Weltpolitik verstehen – und das Verstandene mit möglichst vielen Menschen teilen. Ihren Weg in den Journalismus hat sie über die NÖN gefunden. Ihre Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Migration und Vergangenheitspolitik.

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