9 Antworten zur Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt

Staatsgewalt ohne Gewalt – diesem Ziel soll uns eine unabhängige Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt näherbringen. Wann sie kommt und wie wir uns an sie wenden können? Hier gibt’s Antworten!

Was ist die Aufgabe der Beschwerdestelle?

Die neue Anlaufstelle für Polizeigewalt soll Vorwürfe von Misshandlung durch die Polizei rasch und unbefangen aufklären. Es handelt sich um keine Ombudsstelle der Polizei selbst, sondern um eine Beschwerdestelle außerhalb der polizeilichen Hierarchie. Die Regierung plant, sie im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) anzusiedeln, einer Einrichtung des Innenministeriums.

Was darf die geplante Beschwerdestelle?

Die Ermittlerteams sollen unabhängig von der Polizei arbeiten können. Damit das geht, braucht die neue Stelle sogenannte kriminalpolizeiliche Ermittlungsbefugnisse. Etwa die Erlaubnis, Zeugen zu befragen, Hausdurchsuchungen durchzuführen und Verdächtige festzunehmen. Um all das zu dürfen, ist die Beschwerdestelle im Innenministerium eingegliedert.

Ab wann können kann ich mich an die Beschwerdestelle wenden?

Derzeit befindet sich die Gesetzesentwurf in der Begutachtung. Laut Justizministerin Alma Zadić soll die Anlaufstelle 2024 ihre Arbeit aufnehmen. Bereits im Koalitionsabkommen 2020 haben sich die Grünen und die ÖVP drauf geeinigt, dass sie eine unabhängige Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt schaffen wollen.

Wie erreiche ich die Beschwerdestelle zukünftig?

Die Stelle ist noch nicht eingerichtet. Stichhaltige Informationen darüber, wie Bürger:innen sie erreichen können, sind daher noch ausständig. Auf der Pressekonferenz Anfang März ist aber von einer Online-Meldestelle die Rede. Es ist aber davon auszugehen, dass Beschwerden auch telefonisch und persönlich entgegengenommen werden. Jedenfalls soll die Stelle rund um die Uhr erreichbar sein, betonen die Verantwortlichen. Außerdem soll es auch die Möglichkeit geben, Meldungen anonym abzugeben.

Meldungen eines Misshandlungsvorwurfs sollen aber auch nach wie vor in allen Polizeiinspektionen möglich sein. Dort leiten sie die Beamt:innen dann unverzüglich  an die Beschwerdestelle weiter.

Gleichzeitig soll die Stelle aber auch von sich aus aktiv werden – etwa dann, wenn sie von Übergriffen aus Videos auf Social Media erfährt.

Mit welchen Beschwerden können sich Bürger:innen an die geplante Stelle wenden?

Die Ermittlungs- und Beschwerdestelle soll bei einer großen Bandbreite von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamt:innen tätig werden. Beispiele sind:

  • Übermäßiger Einsatz von Gewalt oder absichtliche Demütigung bei Festnahmen
  • Schläge, Tritte und andere Formen körperlicher Gewalt gegen wehrlose Verdächtige
  • Rassistische Übergriffe auf Personen mit Migrationshintergrund
  • Grundlose Gewalt gegen friedliche Demonstrant:innen
  • Grundloser oder unverhältnismäßig langer Freiheitsentzug
  • Gewalt oder Demütigung gegen Personen in Polizeigewahrsam
  • Sexuelle Belästigung oder Missbrauch von Verdächtigen durch Polizist:innen
Wer arbeitet in der geplante Beschwerdestelle?

In der Beschwerdestelle sollen neben Polizist:innen auch Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, Forensiker:innen und Menschenrechtler: innen arbeiten. Das heißt: Betroffene müssen zukünftig ihre Erlebnisse nicht mehr Polizist:innen anvertrauen – eben jene Berufsgruppe, durch die sie Gewalt erfahren haben.

Das soll die Ermittlungen der Stelle auch glaubwürdiger machen. Denn bisher ermitteln bei Beschwerden Polizistinnen gegen Polizistinnen. Für Außenstehende ist es dabei schwer zu glauben, dass gegen die „eigenen“ Kolleg:innen genauso ernsthaft ermittelt wird wie gegen jede andere normale Person.

Wem nützt die geplante Beschwerdestelle?

In erster Linie soll sie Menschen nützen, die von Polizeigewalt betroffen sind. Sie erfahren Gerechtigkeit, in dem übergriffige Polizist:innen disziplinarisch und strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Die überwiegende Mehrheit der Polizist:innen arbeitet fair und korrekt. Die geplante Beschwerdestelle ist daher auch in ihrem Sinne. Sie leiden darunter, dass ein paar wenige schwarze Schafe den Ruf der Polizei schaden. Und auch zu Unrecht beschuldigte Polizist:innen profitieren. Die unabhängige Ermittlung befreit sie von dem Vorwurf von oben geschützt zu werden.

Zuletzt soll die Beschwerdestelle auch der Polizei als Ganzes nützen. Sie zeigt damit deutlich, dass sie polizeiliches Fehlverhalten nicht länger toleriert. Das soll Vertrauen stiften – und das braucht es. Nur eine Polizei, der Bürger:innen vertrauen, kann ein gutes Zusammenleben aller Menschen sicherstellen.

Wird die Beschwerdestelle wirklich unabhängig sein?

Die Regierung hat einige Mechanismen eingebaut, um die Unabhängigkeit der neuen Stelle trotz Ansiedlung im Innenministerium sicherzustellen. So soll es zum Beispiel einen unabhängigen Beirat geben. Er wird aus unabhängigen Expert:innen für Menschenrechte, Opferschutz und Strafrecht bestehen. Sie sollen der Beschwerdestelle bei der Arbeit auf die Finger schauen und jährlich einen Bericht verfassen. Der Beirat wird weder im Innenministerium noch im BAK sitzen, um möglichst unabhängig agieren zu können. Außerdem sollen Weisungen an die Beschwerdestelle stets schriftlich erfolgen – und immer auch an den Beirat adressiert sein. Um die Unabhängigkeit der Beschwerdestelle weiter abzusichern, soll die Leitung für einen langen Zeitraum (10 Jahre) fix bestellt werden.

Warum braucht es so eine Beschwerdestelle?

Österreich braucht eine Beschwerdestelle für Polizeigewalt, weil es bisher keine unabhängige Instanz gibt, die sich mit diesem Thema befasst. Bisher werden Beschwerden über Polizeigewalt intern von der Polizei selbst bearbeitet, was zu einem Interessenkonflikt führen kann. Außerdem fehlen oft angemessene Sanktionen bei Fällen von Polizeigewalt. Das führt dazu, dass viele Opfer oder Zeugen:innen von Polizeigewalt sich nicht trauen, ihre Erlebnisse zu melden und daher keine Gerechtigkeit erfahren. Das soll sich ab 2024 ändern.

Die Stelle soll aber auch präventiv wirken, denn sie ist ein klares Signal an alle Polizistinnen, die sich nicht an die Regeln halten.  Das soll weitere Übergriffe und Misshandlungen vorbeugen.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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