Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen dem reichen Globalen Norden und dem wirtschaftlich armen Globalen Süden. Während die Industriestaaten einen Großteil zur Klimakrise beigetragen haben, um ihren Wohlstand aufzubauen und zu sichern, leiden die kaum industrialisierten Länder heute am meisten unter den Folgen. Die Verantwortung für Loss and Damage, also von der Klimakrise verursachte Verluste und Schäden, steht bei der Weltklimakonferenz zur Diskussion.
Dürre, Überflutungen und Hitzewellen. Es wird heißer, trockener, es stürmt öfter. Wir spüren die Auswirkungen der Klimakrise immer mehr. Doch in manchen Weltgegenden zeigen sich diese stärker als in anderen. Die Bevölkerung der Länder des Globalen Südens ist davon am stärksten betroffen. In Somalia zum Beispiel herrscht die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten, die Menschen leiden Hunger und müssen ihre Heimat verlassen. Im Sommer haben Millionen Menschen in Pakistan ihre Heimat verloren. Während der Monsunzeit zwischen Juni und September hat es dieses Jahr mehr geregnet als normal. Zusätzlich sind die Gletscher besonders stark geschmolzen. Große Teile des Landes waren überflutet. 1.500 Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Vor der Monsunzeit herrschte in Pakistan eine Hitzewelle mit um die 50 Grad.
Klimakrise verschärft Verwundbarkeiten
Beide Länder haben gemein, dass ihnen die Mittel fehlen, um sich an solche Extremwetterereignisse und Katastrophen anzupassen. Die Klimakrise ist somit ein Multiplikator: Sie verschärft die bereits bestehenden Verwundbarkeiten vieler wirtschaftlich ärmerer Länder.
Ob und wie diesen Staaten dabei geholfen werden soll, sich an die sich verändernden Klimabedingungen anzupassen, ist Thema auf der diesjährigen Weltklimakonferenz (COP27) in Sharm el-Sheikh in Ägypten. Jedoch nicht zum ersten Mal. Bereits 2009 haben die Industriestaaten des Globalen Nordens zugesagt, die Länder des Globalen Südens ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Eingehalten wurde diese Zusage bisher nicht. 2020 haben die Industriestaaten rund 83 Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Laut einem Bericht, der bei der COP27 präsentiert wurde, brauchen die ärmeren Länder bis 2030 jedoch 2,4 Billionen Dollar jährlich für den Klimaschutz.
Anpassung nicht immer möglich
Unter dem Begriff Loss and Damage, auf Deutsch Schäden und Verluste, wird diskutiert, wie ärmere Länder dabei unterstützt werden können, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Darunter können Schäden fallen, die durch Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Dürre verursacht wurden. Gleichzeitig aber auch durch langsam voranschreitende, aber ebenso schlimme Veränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels. Das sind Situationen, an die sich Menschen schwer bis gar nicht anpassen können. Das bedeutet, dass Betroffene mitunter ihre Heimat verlassen müssen und ihr Hab und Gut verlieren. Das wiederum kann psychische Schäden hervorrufen. Ist eine Anpassung an die veränderten Bedingungen möglich, fehlen oft die Mittel.
Suche nach Schuldigen schwierig
Die menschliche Moral sagt uns: Zahlen muss der, der den Schaden verursacht hat. Wenn wir beim Ausparken ein anderes Auto beschädigen, ist klar, dass wir für den Schaden aufkommen müssen. Doch bei der Klimakrise ist es nicht so einfach, die Schuldigen zu finden. Historisch gesehen sind es vor allem Nordamerika und Europa, die die meisten CO2-Emissionen verursacht und damit am stärksten zur Klimakrise beigetragen haben. Aktuell sind aber auch Schwellenländer wie China und Indien Treiber der Energiekrise. Der Grund: Sie industrialisieren ihre Wirtschaft. Ein Prozess, den die Länder Nordamerikas und Europas bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts durchgemacht haben. Und auf dem der Wohlstand dieser Länder beruht.
Extremwetterereignisse werden wahrscheinlicher
Finanzieller Ausgleich für Loss and Damage ist ein umstrittenes Thema. Schon allein deshalb, weil es schwierig ist, zu sagen, welche Schäden auf die Klimakrise zurückzuführen sind und wer genau dafür verantwortlich ist. Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wahrscheinlicher. Um sich zu versinnbildlichen, was das bedeutet, können wir uns einen gezinkten Würfel vorstellen. Die Zahl sechs steht für Extremwetterereignisse. Wird die Zahl fünf mit einer sechs übermalt, verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, die Zahl Sechs zu würfeln. Man weiß aber nicht, ob man die originale Sechs gewürfelt hat oder die manipulierte Sechs. Ebenso weiß man nicht, ob ein bestimmtes Extremwetterereignis wie eine Dürre ohnehin aufgetreten wäre oder durch die Klimakrise verstärkt wurde.
Schäden werden hoch sein
Die Schäden werden zusätzlich sehr hoch sein und auch weiterhin steigen. Die Industrieländer werden nicht bereit und womöglich auch nicht in der Lage sein, derart hohe Geldsummen aufzubringen. Hinzu kommt, dass in vielen ärmeren Ländern Korruption ein großes Problem ist. Ob in diesen Ländern das Geld dann auch wirklich dafür verwendet wird, um die Schäden zu kompensieren und Anpassungsmaßnahmen zu treffen, ist daher fraglich.
Ausgleichszahlungen sind aber nicht die einzige Möglichkeit, die Länder des Globalen Südens und ihre Bewohner:innen zu unterstützen. Über konkrete Projekte kann man den Betroffenen direkt helfen. Beispielsweise, indem man in Systeme investiert, die frühzeitig vor Naturkatastrophen warnen. Oder indem die Industriestaaten ärmere Länder dabei unterstützen, Erneuerbare Energien wie Photovoltaik-Anlagen zu errichten, um umweltfreundlicher Energie zu produzieren.
Auch mit Wissen unterstützen
In jedem Fall müssen die reicheren Länder die ärmeren unterstützen. Nicht nur finanziell, sondern auch mit technischem Wissen. Denn die Schäden und Verluste werden steigen. Je heißer es auf der Erde wird, desto mehr Menschen werden die Auswirkungen spüren. Es müssen aber mehr als nur Einmalzahlungen sein. „Damit es nicht bei willkürlichen, einmaligen Zusagen für den Wiederaufbau nach Katastrophen- und Klimaschäden bleibt, braucht es ein klares Bekenntnis zu einem eigenen Finanztopf“, sagt Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace, gegenüber der APA.
Erste Länder stellen Gelder bereit
Worauf sich die Staaten bei der COP27 einigen werden, ist aktuell noch nicht absehbar. Dänemark hat bereits als erstes Land angekündigt, 100 Millionen Kronen an Kompensation zu zahlen. Umgerechnet sind das 13,5 Millionen Euro. Österreich will in den nächsten vier Jahren mindestens 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um Loss and Damage zu finanzieren. Zudem sind bis 2026 340 Millionen Euro für internationale Klimaprojekte vorgesehen.