Seit Oktober ist der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt für Fachkräfte aus Drittstaaten einfacher geworden. Zu verdanken ist das der erneuerten Rot-Weiß-Rot-Karte. Was das genau bedeutet, FREDA gibt einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen.
In Österreich gibt es seit Längerem einen Fachkräftemangel. Vor allem in den Bereichen Pflege, Tourismus und im produzierenden Sektor. Der österreichische Arbeitsmarktservice (AMS) spricht aktuell von 124.000 offenen Stellen. Dem gegenüber stehen 325.000 Personen, die derzeit beim AMS arbeitslos gemeldet sind – für die offenen Stellen verfügt der Großteil jedoch nicht über ausreichend Qualifikationen. Zudem werden erwerbsfähige Menschen in Österreich immer älter, jüngere kommen kaum nach. Den Bedarf an Fachkräften alleine durch inländische Arbeiter:innen zu decken, ist daher kaum möglich. Deshalb versuchen viele Unternehmen, Mitarbeiter:innen aus dem Ausland zu rekrutieren. Für Fachkräfte aus Drittstaaten bedeutet das, eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen, was bisher allerdings sehr kompliziert und zeitaufwendig gewesen ist.
Drittstaatenangehörige in Österreich
Drittstaatsangehörige sind Personen, die weder EU- oder EWR*-Bürger:innen noch Schweizer:innen sind. Dazu gehören beispielsweise Bürger:innen aus Bosnien und Herzegowina, Australien, USA und auch Japan. Damit sich Drittstaatenangehörige in Österreich länger als sechs Monate aufhalten können, benötigen sie einen Aufenthaltstitel, die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte.
Die Rot-Weiß-Rot-Karte
Die RWR-Karte gibt es bereits seit 2011 und wird für 24 Monate ausgestellt. Mit der Karte können Personen aus Drittstaaten in Österreich arbeiten und leben. Sie kann von folgenden Personen beantragt werden:
- Besonders Hochqualifizierte
- Fachkräfte in Mangelberufen
- Sonstige Schlüsselkräfte
- Studienabsolvent:innen einer österreichischen Hochschule
- Selbstständige Schlüsselkräfte
- Start-up-Gründer:innen
Um die RWR-Karte zu erhalten, müssen Drittstaatenangehörige bestimmte Kriterien erfüllen. Diese werden bei der Antragsstellung vom AMS geprüft und anhand eines Punktesystems erfasst. Punkte gibt es beispielsweise für Ausbildung, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung uvm. Auch Familienangehörige können eine RWR– Karte plus beantragen. Sie haben damit ein Niederlassungsrecht und freien Arbeitsmarktzugang in Österreich. Bisher ist das Verfahren für Drittstaatenangehörige allerdings sehr kompliziert gewesen und hat lang gedauert, weshalb viele qualifizierte Fachkräfte sich eher nach Jobs in den Nachbarländern wie Deutschland umschauten. Durch Änderungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz und Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz soll der Zugang zum Arbeitsmarkt nun leichter werden. Zudem ist das Zulassungsverfahren digitalisiert worden, was es einfacher und schneller macht.
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick
- Senkung der Mindestentlohnung: Das erforderliche Mindesteinkommen von Fachkräften aus Drittstaaten wird von 60 auf 50 Prozent ASVG-Höchstbeitragsgrundlage gesenkt. Bisher war das nur für jüngere Beschäftige, das heißt für Personen bis zum 30. Lebensjahr gültig. Seit 1. Oktober gilt dies für alle. Das heißt, für die RWR-Karte reicht ein monatlicher Bruttolohn von 2.835 Euro.
- Schnelle Karte für maximal sechs Monate: Besonders qualifizierte Personen, die bei einem zeitlich begrenzten Projekt mitarbeiten und nur hierfür nach Österreich geholt werden, erhalten künftig eine befristete Beschäftigungsbewilligung für maximal sechs Monate. Dies soll vor allem IT-Spezialist:innen zugutekommen.
- Englisch vs. Deutsch: Auch sprachtechnisch gibt es eine Veränderung: So werden Englischkenntnisse künftig mit Deutschkenntnissen gleichgesetzt, sofern die Sprache im Unternehmen Englisch ist.
- Längere Gültigkeit: Sprachzeugnisse und andere Nachweise sind länger gültig und müssen während eines Verfahrens nicht nochmal vorgelegt oder neu gemacht werden.
- Mindestentlohnung für Absolvent:innen gesenkt: Für Absolvent:innen heimischer Universitäten und Fachhochschulen gibt es keine Gehaltsgrenze mehr. Bisher war dies 2.551 Euro. Ihr Entgelt muss aber dem ortsüblichen Gehalt inländischer Studienabsolvent:innen mit vergleichbarer Tätigkeit und Berufserfahrung entsprechen.
- IT-Kräfte brauchen kein Studium: Für bestimmte hoch qualifizierte Tätigkeiten in der Informations- und Kommunikationstechnologie braucht es keinen Abschluss mehr. Es reicht eine dreijährige Berufserfahrung.
- Punktesystem an Mangelberufen angepasst: Ein Lehrabschluss in einem Mangelberuf bringt ab sofort gleich viele Punkte wie ein Universitätsabschluss in diesem Bereich. Das wertet Lehrberufe deutlich auf.
- Saisonniers werden zu Stamm-Saisonniers: Saisonarbeiter:innen, die mindestens zwei Jahre lang jeweils mehr als sieben Monate in Tourismusbetrieben oder in der Landwirtschaft Saisonarbeit geleistet haben, erhalten einen dauerhaften Arbeitsmarktzugang. Voraussetzungen sind gute Deutschkenntnisse (A2-Niveau) und ein Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrags.
- Erleichterung beim Arbeitgeberwechsel: Nach einer Wartefrist von 30 Tagen ist ein Arbeitswechsel automatisch möglich, auch wenn das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.
- Familienzusammenschluss: Auch für Familienangehörige ist es ab jetzt einfacher, in Österreich arbeiten und sich niederlassen zu können. Ein gemeinsames Verfahren soll die Familien zudem schneller zusammenbringen.
- Leichterer Zugang für Start-up-Gründer:innen: Das Stammkapital für Start-up-Gründungen wird von 50.000 auf 30.000 Euro reduziert. Das soll vor allem Studienabsolvent:innen bei der Gründung eines eigenen Business helfen.
- „Work in Austria„-Agency: Für alle Antragsteller:innen gibt es ab jetzt eine eigene Plattform, über die sie ihren Antrag stellen können und Hilfe bei der Durchführung erhalten.
*EWR: Europäischer Wirtschaftsraum. Dazu zählen Island, Liechtenstein und Norwegen.
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