Anfang Juli hat der Nationalrat neue Regeln fürs Österreichs Straßen beschlossen. Die neue Einbahnregelung für Radfahrer:innen ist gefallen, die umstrittenste Maßnahme ist aber damit fix: das Rechtsabbiegen für Radfahrer:innen bei Rot. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den neuen StVO-Regeln.
Warum brauchen wir überhaupt neue Regeln im Straßenverkehr?
Weil sich Österreicher:innen anders fortbewegen als früher, insbesondere in den Städten. Alleine in Wien hat sich seit 2007 die Zahl jener, die häufig mit dem Rad fahren, beinahe verdoppelt. Und nicht nur das: Mit E-Bikes und E-Scootern sind zwei neue Gefährte auf den Straßen unterwegs. All das berücksichtigt die bisherige Straßenverkehrsordnung nicht. Viele Regeln sind seit den 1960ern unverändert. Ziel der Reform ist es, klimaschonende Mobilität zu fördern. Das heißt: Rad fahren und zu Fuß gehen soll angenehmer und vor allem sicherer werden. Das ist wichtig, um die für die Klimaneutralität so wichtige Verkehrswende endlich voranzubringen! Aber auch Autofahrer:innen profitieren, wenn das Zusammenspiel aller Mobilitätsformen besser funktioniert. Denn klare Regeln bedeuten weniger Unfallrisiko für alle.
Wann treten die neuen Regeln in Kraft?
Die neue StVO wird am 1. Oktober 2022 in Kraft treten.
Dürfen Radfahrer:innen jetzt gegen die Einbahn fahren oder nicht?
Hier gelten die Regeln, die auch jetzt schon Anwendung finden. Radfahrer:innen dürfen gegen die Einbahn fahren, wenn es die Schilder und die Bodenmarkierung ausdrücklich erlauben. Der Begutachtungsentwurf des Klimaministeriums hätte vorgesehen, dass Behörden alle Einbahnen für den Radverkehr öffnen müssen, wenn die Straße gewisse Voraussetzungen erfüllt hätte. Gegen diese verpflichtende Einbahnöffnung hat sich die Stadt Wien gestemmt.
Dürfen Autos Fahrräder zukünftig noch überholen?
Ja. Allerdings müssen Autos beim Überholen von Fahrrädern einen verpflichtenden Mindestabstand einhalten.
- Im Ortsgebiet: eineinhalb Meter
- Im Freiland: zwei Meter
Eine Ausnahme dazu findet sich im Gesetzestext. „Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h kann der Seitenabstand reduziert werden.“
Der verpflichtende Mindestabstand erhöht die Sicherheit von Radfahrer:innen. Insbesondere auf Straßen, wo die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Auto und Fahrrad groß sind.
Dürfen Radfahrer:innen zukünftig bei Rot abbiegen?
Nein, nicht prinzipiell. Die neue Regelung sieht vor, dass Radfahrer:innen bei Rot nach rechts abbiegen dürfen, wenn sie zuvor halten. Allerdings nur, wenn es ein entsprechendes Verkehrsschild ausdrücklich erlaubt (siehe Foto).
Ist Abbiegen bei Rot nicht gefährlich?
Darauf deutet nichts hin. Pilotversuche in Belgien, Frankreich und der Schweiz haben gezeigt, dass durch bei Rot abbiegende Fahrradfahrer nicht mehr Unfälle entstehen. In den Niederlanden gibt es die Regelung schon seit 1990, zuletzt hat sie auch Deutschland eingeführt.
Dürfen Radfahrer:innen zukünftig auf der Autofahrbahn nebeneinander fahren?
Ja, allerdings nur in Tempo-30-Zonen und „sofern niemand gefährdet wird, das Verkehrsaufkommen es zulässt und andere Verkehrsteilnehmer nicht am Überholen gehindert werden.“ Wer mit einem Kind unter zwölf Jahren unterwegs ist, darf zukünftig auch auf anderen Straßen nebeneinander fahren.
- Bundesgesetz: Die 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung
- Analyse des Verkehrsclubs Österreich: Anzahl der häufig Radfahrenden in Österreich seit 2007
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