Wien hat ein Hitzeproblem. Denn wenn es in Österreich heiß wird, wird es in Wien heißer. Bis zu zwölf Grad Temperaturunterschied kann es zwischen der Innenstadt und dem Umland haben. Grund dafür sind die dicht bebauten Straßen und Häuser. Auch Regen kühlt die Stadt nur bedingt ab. Denn wo viel versiegelt und verbaut ist, kann nur wenig versickern und verdunsten. Was da hilft? Ein gutes Management, das den Regen in die richtigen Bahnen lenkt. Was das genau bedeutet, FREDA klärt auf.
Wien ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Mit 1.9 Millionen Einwohner:innen gehört unsere Hauptstadt zu den Großstädten Europas. Eine Stadt mit so vielen Menschen benötigt dementsprechend viel Wohnfläche, weshalb stetig zu- oder umgebaut wird. Mittlerweile beträgt die versiegelte Fläche in Wien 12.496 Hektar. Bei einer Gesamtgröße von 41.667 Hektar sind das 30 Prozent. Das klingt vielleicht nicht viel, doch im gleichen Ausmaß hat der Anteil an Grünflächen wie Erholungs- und Naturräume, landwirtschaftliche Flächen und naturbelassene Böden abgenommen – was den Kreislauf des Wassers negativ beeinflusst. Denn aufgrund der versiegelten Flächen kann das Regenwasser vielerorts nicht mehr ungehindert versickern und verdunsten, sondern fließt direkt in den Kanal, wo es weiter ungenützt in die Donau kommt. Das führt dazu, dass einerseits die Kanalisation überbelastet ist und andererseits die Stadt ihr Klima nicht mehr selbst regulieren kann. Dadurch kann es zu Hochwasser, Grundwassermangel, Hitzewellen und auch Bränden kommen.
Um dem entgegenzuwirken und die Stadt langfristig auf das veränderte Klima vorzubereiten, beschäftigt sich die Stadt Wien seit mehreren Jahren mit dem Thema Regenwassermanagement. Mit diesem können natürliche Wasserkreisläufe in einer Stadt künstlich geschaffen werden. FREDA hat mit Christian Härtel von der Wiener Umweltschutzabteilung (MA22) gesprochen, um mehr zu erfahren:
So kann Regenwasser das Stadtklima regulieren
In der Natur wird Regenwasser in Baumkronen, in bewachsenen Böden oder von Pflanzen zwischengespeichert. Das Wasser ist auch noch Wochen nach dem Regen verfügbar und verdunstet nach und nach über die Pflanzen. Dabei entsteht Verdunstungskälte, die die Luft kühlt und befeuchtet und so als Klimaregulator wirkt. „In der Stadt gibt es aber keinen direkten Klimaregulator. Es regnet, der Asphalt dampft eine halbe Stunde und danach ist das Wasser wieder weg. Beim Regenwassermanagement geht es daher darum, dass das Wasser nicht mehr wie bisher im Kanal entsorgt wird, sondern dass man es vor Ort zurückhält, es verdunsten oder versickern lässt und dadurch ein natürlicher Wasserkreislauf geschaffen wird“, so Härtel.
Regenwassermanagement kann in unterschiedlichen Varianten eingesetzt werden, beispielsweise durch das Begrünen von Gebäuden wie Dach- oder Fassadenbegrünung, Versickerungen wie Sickergruben oder Flächenversickerung und auch Regenwasserspeicherung durch Zisternen oder Wasserbecken. Die gängigsten Methoden in Wien sind Bauwerksbegrünung und Versickerungen:
Kühl, kühler, Dachbegrünung
Fassaden stellen in Wien die größten ungenützten Flächen dar, weshalb sie sich besonders gut eignen, um begrünt zu werden. Die Begrünung durch Kletterpflanzen wie Efeu oder Wilder Wein ist günstig, pflegeleicht und lang haltbar. Sie schützt und dichtet die Außenwand ab, wodurch Kosten und Energie für Heizung und Klimaanlage gespart werden kann. Zudem ist die Fassadenbegrünung ist ein sehr wirksamer Luftreiniger, da die Pflanzen den Feinstaub binden.
„Durch die Dachbegrünung können urbane Hitze-Insel reduziert werden.“
Moos, Gräser, Gartenbeete oder Biotope: Es gibt viele verschiedene Arten sein Dach zu begrünen. Die Dachbegrünung wirkt dabei wie ein Schwamm und speichert je nach Aufbaudicke bis zu 90 Prozent des Regenwassers. Selbst eine Dachbegrünung, die nur wenige Zentimeter hoch ist, kann im Jahr bis zu 350 Liter Wasser pro Quadratmeter speichern. „Ein Großteil des Regenwassers wird auf dem Dach zurückgehalten. Entweder speichern die Pflanzen das Wasser und geben es nach und nach ab, wodurch die Umgebung abkühlt oder es wird gesammelt und dem Grundwasser zurückgeführt. In Wien werden auf Flachdächern leider oft noch Kieselsteine genutzt. Diese heizen sich im Sommer aber extrem auf und tragen so zusätzlich zur Hitze in der Stadt bei“, erklärt Christian Härtel. Durch die Vegetation am Dach und auf der Fassade wird mehr verdunstet, was die Stadt abkühlt und urbane Hitze-Inseln können vermieden oder reduziert werden.
Lass es sickern: Sickergruben und Co zum Schutz gegen Hochwasser
Aufgrund der Klimakrise kommt es immer häufiger zu Starkregen. Das heißt, es fallen innerhalb kürzester Zeit extrem hohe Mengen an Niederschlagswasser zu Boden. Die Wiener Kanalisation ist für diese großen Wassermengen nicht gemacht, weshalb es zu Hochwasser kommen kann.
Bei der Versickerung geht es deshalb in erster Linie darum, die Kanalisation bei Starkregen zu entlasten, indem man den Regen zurückhält, speichert und versickern lässt. Ein Beispiel dafür ist die Muldenversickerung im Bruno-Kreisky-Park bei der U4-Station Margaretengürtel:
„Das Regenwasser sammelt sich in der Mulde und versickert langsam ins Erdreich, wo es dem Grundwasser zurückgeführt wird.“
Die Muldenversickerung ist notwendig, da neben dem Park ein Fuß- und Radweg verläuft. Bei Regen ist das Wasser vom Weg direkt in zwei naheliegende Kanäle geflossen, wodurch der Kanal dort oft überlastet war. Deshalb hat man eine bereits bestehende Mulde im Park umgestaltet und umfunktioniert: Inmitten der Mulde ist eine Insel aus Schilf mit mehreren Kieselsteinchen errichtet worden. Die Insel und die Steine sorgen dafür, dass das Wasser gespeichert wird und besser versickern kann. Im Sommer werden die Kanalschächte der zwei naheliegenden Kanäle geschlossen. So kann bei Regen das Wasser nicht mehr direkt in die Kanalisation fließen, sondern in die Mulde. Dort sammelt es sich und versickert langsam ins Erdreich, wo es dem Grundwasser zurückgeführt wird. Dabei wird es von zahlreichen Mikroorganismen gereinigt. Das Schilf nimmt zusätzlich das Wasser auf und lässt es nach und nach verdunsten, wodurch die Umgebung abkühlt.
Was macht die Stadt Wien?
„Seit mittlerweile über zehn Jahren müssen Flachdächer in Wien laut der Flächenwidmungsabteilung (MA21) begrünt werden. Das heißt: Wer ein Dach baut, das flacher als 15 Grad ist, muss es begrünen“, erzählt Christian Härtel. Auch die Fassadenbegrünung ist vorgeschrieben. Dies gilt bei allen neuen Bebauungsplänen für das gesamte Stadtgebiet und die Industriegebiete ab einer Gebäudehöhe von über 7,5 Metern. Ausnahmen sind Familienhäuser, Gartensiedlungen und Kleingartengebiete.
„Mindestens 50 Prozent der Wiener Dächer soll in Gründächer umgewandelt werden“
Das gilt allerdings nur für Neubauten oder Umbauten. Damit das Begrünen aber auch für bereits bestehende Gebäude interessant wird, fördert die Stadt Wien die Begrünung von Innenhöfen, Dächern und Fassaden. Je nach Gebäude eignet sich natürlich eine andere Begrünung. Welche am besten passt und welche Förderung infrage kommt, kann mit der UMWELTBERATUNG der Stadt Wien bei einem Beratungsgespräch herausgefunden werden. Ziel des Wiener Begrünungsprogramms ist es, mindestens 50 Prozent der Wiener Dächer in Gründächer umzuwandeln, umso langfristig die Stadt an das neue Klima anzupassen.
Aber auch jede:r Einzelne kann zur Begrünung beitragen und beispielsweise auf Balkon und Terrasse viele Pflanzen aufstellen oder mit der Hausverwaltung über die Fassaden- oder Dachbegrünung sprechen.