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Bahnreisen: Rückkehr der Nachtzüge

Damit wir den Zug dem Flug vorziehen, muss das Verreisen auf den Gleisen attraktiv und günstiger werden. Ein wichtiger Schritt ist die Umsatzsteuerbefreiung von internationale Zugtickets ab 2023. Doch nicht nur das Ticket wird günstiger, auch das Verreisen selbst erhält ein Upgrade.

Der Sommer ist da, ab in den Urlaub: vielleicht ans Meer? Barcelona ab 86 Euro. Ein Städtetrip? London ab 41 Euro. Oder doch gleich über den Atlantik, New York ab 489 Euro. Was noch vor Jahren utopisch war, ist dank Billigairlines in den letzten Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Doch wo früher schnell zugegriffen wurde, klopft heutzutage immer häufiger das schlechte Gewissen an: „Ist es wirklich notwendig, mit dem Flugzeug zu verreisen?“

Klar, über den Atlantik wird es wohl kaum anders gehen, doch innerhalb Europas erreicht man viele Städte auch gut mit dem Zug. Abgesehen davon spielt natürlich der Umweltfaktor eine große Rolle. Pro Kilometer und Person werden 201 Gramm CO₂-Äquivalente ausgestoßen. Im Vergleich dazu verbraucht die Bahn nur 36 Gramm. Kein Wunder also, dass uns beim Fliegen immer häufiger die Röte der Flugscham hochsteigt.

Reisen mit Köpfchen

Flugscham, also das Empfinden von persönlicher Scham bei der Benutzung von Verkehrsflugzeugen, zeigt unser steigendes Bewusstsein für das ökologische Problem von Flugreisen – mit durchaus positiven Auswirkungen. Denn immer mehr Menschen steigen für Kurztrips auf die Bahn um. So haben 2020 über 20,6 Millionen Menschen die Züge der ÖBB für nationale und internationale Fernstrecken genutzt. Reguläre Zugfahrten sind in Österreich preislich allerdings im Vergleich zum Fliegen oder Reisen mit dem Auto noch immer ziemlich teuer. Das muss aber nicht sein.

Umsatzsteuerfrei zum Reiseziel

Ein wichtiger Schritt für einen faireren Wettbewerb zwischen Bahn und Flugzeug ist die Umsatzsteuerbefreiung von internationalen Zugtickets. Mitte Mai hat Klimaministerin Leonore Gewessler verkündet, dass internationale Tickets ab 1. Jänner 2023 von der Umsatzsteuer befreit sind. Die Ersparnis gilt für den österreichischen Streckenanteil.

Neue Nachtzüge mit mehr Komfort und Privatsphäre

Zugfahrten können schon sehr turbulent sein. Nicht wegen der Schienen, vielmehr aufgrund der Mitreisenden. Zu laut, zu viele, zu wenig Platz … kein Problem bei einer Strecke von Wien nach Linz. Anders ist das bei längeren Strecken wie eben nach Berlin oder Paris, nachts. Da wünscht man sich eine entspannte und vor allem ruhige Fahrt.

Um genau diese längeren Strecken nun attraktiver zu gestalten, hat das österreichische Zugunternehmen 20 neue Nightjets bestellt. Ab 2023 nehmen sie die Fahrt auf. Die neuen Nightjets versprechen mehr Privatsphäre und Komfort: Die siebenteiligen Nightjets bestehen aus zwei Sitzwagen, drei Liegewagen und zwei Schlafwagen. Sie sind in einem neuen Design ausgestattet und bieten kostenfreies WLAN (bisher nur in Railjets verfügbar) an. Zusätzlich gibt es in den neuen Liegewagen Mini Cabins für Alleinreisende. Die Mini Cabins sind mit einem Einzelbett ausgestattet. Eine Schiebetür trennt diese von den anderen Cabins und bieten so mehr Privatsphäre. Schiebetüre zu und es herrscht a Ruh‘. Auch die Schlafwagen wurden upgegradet. Künftig gibt es in den Standard- und Deluxe-Abteilen eine eigene Toilette und eine Dusche. Frisch erholt und geduscht in den Urlaub starten sozusagen. Wie das live aussehen wird, gibt es in der digitalen Vorschau von den neuen Nightjets-Abteilen zu sehen.

Wien: Europas Nightjet-Hauptstadt

Wien ist jetzt schon die Hauptstadt mit den meisten Zugverbindungen in wichtige europäische Städte wie Paris, Brüssel und Rom. Möglich ist das durch die gemeinsame Nachtzug-Offensive der ÖBB mit der Deutschen Bahn, der französischen SNCF, der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und mit den Niederländischen Eisenbahnen (NS). Seit 2021 hat man von Wien aus Europas Schienen Stück für Stück ausgebaut. Ein romantischer Ausflug in die Stadt der Liebe ist so dreimal die Woche möglich und preislich auch wirklich okay: Liegewagen ab 59,90 Euro oder Schlafwagen ab 89,90 Euro. Abzüglich der Umsatzsteuer im kommenden Jahr wäre das doch ein perfektes Geschenk für einen leistbaren Valentinstag-Ausflug. Wie du auch während deines Urlaubs auf die Umwelt schauen kannst, haben wir in einem kleinen Tutorial zusammengestellt: Nachhaltigkeit im Trolley.

Nachhaltigkeit im Trolley

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Die Temperaturen steigen. Und damit die Vorfreude auf den Sommerurlaub. Was für uns Erholung ist, ist für Klima und Umwelt eine enorme Belastung. Reisen und Nachhaltigkeit sind aber kein Widerspruch. 

Nach zwei Pandemiesommern ist die Reiselust der Österreicher:innen dieses Jahr besonders hoch. Vier von fünf wollen laut aktuellem Reisemonitoring des ÖAMTC im Sommer verreisen, mehr als die Hälfte plant sogar einen Urlaub im Ausland. Für die Umwelt ist der Tourismus eine große Belastung. Es gibt aber Möglichkeiten, wie du die Folgen abschwächen kannst. Wir haben ein kleines Tutorial zusammengestellt.

Kurze Reise, kurze Anfahrt

Der erste und wichtigste Schritt ist die Planung. Die Entfernung des Reiseziels sollte in Relation zur Aufenthaltsdauer stehen. Wenn du eine Woche Urlaub zur Verfügung hast, solltest du in ein nahe gelegenes Land reisen. Zum Beispiel Kroatien. Ein mehrstündiger Flug nach Thailand zahlt sich für so eine kurze Zeit nicht aus. Es gilt: Je länger die Anreise dauert, desto länger sollte der Aufenthalt dauern.

Die Krux mit dem Transportmittel

Urlaub am Meer gehört für viele zum Sommer. Logisch, dass Italien und Kroatien zu den beliebtesten Urlaubszielen der Österreicher:innen zählen. Lange dafür im Stau stehen? Oder für die Sicherheitskontrolle am Flughafen anstehen? Muss nicht sein, denn per Nightjet ans Meer ist möglich: Du kommst so unter anderem nach Split und Rom. Eine Bahnreise nimmt aber auch mehr Zeit in Anspruch. Der Nightjet von Wien nach Rom ist knapp 13 Stunden unterwegs. Gleichzeitig kannst du aber auch die Beine hochlegen und ausgeschlafen am Ziel ankommen. Ab 1. Jänner 2023 werden innerhalb Österreichs sogar die internationalen Tickets von der Umsatzsteuer befreit.

Nicht immer geht es ohne Flugzeug

Der Flug nach Rom dauert eineinhalb Stunden. Das ist deutlich schneller, aber das ist nur die reine Flugzeit – und in jedem Fall schadet es der Umwelt mehr. Pro Kilometer und Person werden 201 Gramm CO2-Äquivalente ausgestoßen. Im Vergleich dazu verursacht die Bahn 36 Gramm, knapp ein Sechstel. Allerdings sind nicht alle Urlaubsziele mit dem Zug erreichbar. Nicht jede:r kann also immer auf ein Flugzeug verzichten, Emissionen können aber kompensiert werden. Bei Organisationen wie Climate Austria kannst du die Emissionen deines Flugs berechnen und einen passenden Klimaschutzbeitrag leisten. Climate Austria unterstützt damit dann Klimaschutzprojekte im In- und Ausland.

Wohnen bei Locals

Große Poolanlagen, Essen und Trinken all inclusive und Animation – all das bieten große Hotelketten. Damit schaden sie aber der lokalen Wirtschaft. Als Alternative kannst du ein Zimmer in einem von Einheimischen betriebenen Hotel buchen. Bio-Hotels werden in Europa immer beliebter. Diese achten auf einen nachhaltigen und ressourcenschonenden Betrieb.  Auch bei der Wahl der Restaurants kann die Wirtschaft vor Ort unterstützt werden. Der Vorteil: Du entdeckst die landestypische Küche.

Geheimtipps in den Öffis

Am Urlaubsort angekommen, hat sich die Sache mit dem Transportmittel noch nicht ganz erledigt. Denn oft will man nicht nur eine Woche lang am Strand herumliegen, sondern auch die Gegend erkunden. Der einfachste Weg dafür ist ein Mietauto. Für kurze Strecken können ein Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel nachhaltigere Alternativen sein. Auf zwei Rädern kannst du die Gegend im eigenen Tempo erkunden. Die Öffis bieten hingegen die Möglichkeit, mit den Einheimischen ins Gespräch zu kommen – und ihnen eventuell den einen oder anderen Geheimtipp zu entlocken.

Energie sparen auch im Urlaub

Die Hotelzimmer werden in der Regel jeden Tag gereinigt, mitunter werden auch Handtücher täglich ausgewechselt. Das erhöht den Wasser- und Energieverbrauch – notwendig ist das aber nicht. Handtücher können problemlos mehrere Tage genutzt werden. Auch ein dezenter Einsatz der Klimaanlage kann beim Energiesparen helfen.

Urlaub ist wichtig für Gesundheit und Psyche. Diesen nachhaltiger zu gestalten, ist nicht immer leicht. Mit gutem Willen und unseren Tipps aber möglich.

Endlich Gedenken in Gusen

Alle kennen die Bilder aus Mauthausen. Jedes Jahr findet dort die internationale Befreiungsfeier statt. Schulklassen wird dort das Ausmaß der Verbrechen der Nationalsozialist:innen vermittelt. Aber wer kennt das Nebenlager Gusen? Die KZ-Gedenkstätte wird nun erweitert – ein wichtiger Schritt für das Gedenken und gegen das Verdrängen.

Wenig erinnert in den oberösterreichischen Gemeinden St. Georgen und Langenstein heute noch an die Mordmaschinerie der Nationalsozialist:innen. Zwischen 1939 und 1945 wurden 70.000 Menschen in das Konzentrationslager Gusen deportiert und zur Arbeit im Steinbruch und unterirdischen Stollen gezwungen.  Mehr als die Hälfte hat nicht überlebt. Anders als das Stammlager Mauthausen kennt das Nebenlager Gusen kaum jemand und dementsprechend gibt es kein adäquates Gedenken.

Siedlung statt Gedenkort

Nach 1945 wurde das ehemalige Konzentrationslager weitgehend zerstört, geplündert und zum Teil mit einer Siedlung überbaut. Eine inoffizielle Gedenkstätte mit Gedenkstein und -tafel entstand nach Kriegsende auf Initiative ehemaliger französischer und polnischer Häftlinge beim Krematoriumsofen. Als die sowjetischen Truppen 1955 abgezogen sind, wurde das Lagergelände parzelliert. Die Gedenkstätte hätte nach Mauthausen übersiedeln sollen. Damit hätte man den einzigen Gedenkort in Gusen zerstört. Ehemalige italienische Häftlinge haben 1961 das Grundstück mit den Resten des Krematoriums gekauft und damit ein Memorial ermöglicht. Es steht heute inmitten einer Wohnsiedlung. Seit 2004 gibt es ein Besucherzentrum.

„Österreich wird alles tun, damit dieser Ort zu einem angemessenen Ort des Gedenkens umgestaltet wird.“

Bis heute sind unter anderem der Appellplatz, der Schotterbrecher und zwei SS-Verwaltungsgebäude erhalten. Die Fläche, auf denen sich diese Relikte befinden, hat die Republik heuer gekauft. In den kommenden Jahren sollen sie in die KZ-Gedenkstätte Gusen integriert werden. „Österreich wird alles tun, damit dieser Ort zu einem angemessenen Ort des Gedenkens umgestaltet wird, der dem Andenken aller Opfer würdig ist“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Gedenkfeier im KZ Gusen im Mai.

Opferthese hemmte Gedenken

Der Ankauf der Flächen kommt spät. 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs bietet er nun aber die Chance, die Gedenkwarteschleife zu durchbrechen. Die nationalsozialistische Vergangenheit wurde lange verdrängt. Vor dem Hintergrund der – oftmals falsch gelesenen – Moskauer Deklaration betrachtete sich das offizielle Österreich lange Zeit als erstes Opfer der nationalsozialistischen Aggressionspolitik. Jegliche Verantwortung für die Verbrechen schob man auf die Bundesrepublik Deutschland. Diese Opferthese hat für Jahrzehnte Gedenken und Wiedergutmachung gehemmt. Bis 1991. In einer Rede vor dem Nationalrat hat Bundeskanzler Franz Vranitzky die Mitschuld der Österreicher:innen an NS-Verbrechen und die Verantwortung nachkommender Generationen festgehalten: „Wir bekennen uns zu allen Daten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen; und so wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen – bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.“

Aus der Geschichte lernen

Verdrängen hemmt auch das Lernen aus der Geschichte – und zu lernen gibt es viel. Gedenkstätten sind daher nicht nur Orte des Erinnerns, sondern auch der Bildung. Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen hat sich zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung gegenüber nationalsozialistischer Wiederbetätigung, Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten und Demokratiefeindlichkeit zu sensibilisieren. Lebendige Geschichtsvermittlung soll Menschenrechte vermitteln.

Orte der Trauer

Ein solcher Lernort soll auch die KZ-Gedenkstätte Gusen sein. Bereits im März wurde damit begonnen, diese zu erweitern. In diesen Prozess sollen Überlebende, Angehörige von Opfern, Anrainer:innen und Historiker:innen involviert werden. Mitte Mai fanden Rundgänge auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers für Interessierte statt.

KZ-Gedenkstätten sind aber nicht nur für die Bildung nachkommender Generationen enorm wichtig. Es sind Orte, an denen Menschen getötet wurden und damit Orte der Trauer für Überlebende und Nachkommen der Opfer. Sie verdienen es, an einem anerkannten Ort zu gedenken.

Bodenvolksbegehren: Bürger:innen gegen den Bauwahn

Aus grün wird grau: Kärnten ist absoluter Spitzenreiter, wenn es darum geht, Böden zu versiegeln. Ein Häuserkomplex reiht sich an den nächsten. Wiesen müssen Straßen weichen und Äcker werden zu Supermärkten, Parkplätzen und Gewerbeflächen. Bodenversiegelung ist eines der größten ökologischen Probleme unserer Zeit. Ein Volksbegehren soll das aufhalten.

Nahezu alles, was wir essen, wird auf Böden angebaut. Zudem speichern unverbaute Böden extrem viel CO₂, sorgen für sauberes Trinkwasser, schützen vor Umweltkatastrophen wie Hochwässer, Murenabgängen oder Lawinen und bieten Tieren und Pflanzen einen Lebensraum. Darüber hinaus sind gesunde Böden eine Grundlage für lebenswerte Regionen und prägen unser Landschaftsbild.

In Kärnten werden die gesunden Böden jedoch nach und nach versiegelt. Bereits ein Viertel der besiedelbaren Flächen sind verbaut. So ist Kärnten nach Wien und Niederösterreich das Bundesland mit den meisten versiegelten Flächen und täglich kommen neue hinzu. Das Bodenvolksbegehren will den Bauwahn aufhalten und eine verbindliche Bodenschutzstrategie im Raumordnungsgesetz verankern. Aktuell befindet es sich in der Unterstützungsphase.

Kärnten betoniert sich zu

Ein Hektar an Freifläche wird pro Tag betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig befestigt und somit versiegelt. Das geht so weit, dass häufig alte Supermärkte nicht renoviert werden, sondern am Standort daneben komplett neue errichtet werden. Das alte Gebäude bleibt bestehen und verwahrlost oder wird kurzerhand zum Parkplatz. Zudem werden moderne Häuserkomplexe und Wohnsiedlungen im Übermaß gebaut – auch in dünn besiedelten Gegenden. Viele dieser Wohnungen oder Häuser bleiben leer, da es keinen Bedarf an den Wohnungen gibt oder diese als Zweitwohnsitz genutzt werden. Denn immer mehr ausländische Immobilienmarkler:innen kaufen heimischen Grund und Boden für Zweitwohnsitze. Das treibt den Immobilienpreis in Kärnten in die Höhe. Die Folge: Wohnen wird für Einheimische immer teurer. Zudem kosten Zweitwohnsitze den Gemeinden viel Geld: Neue Häuser benötigen neue Straßen, Kanal- und Verkehrsanbindungen wie Bushaltestellen und auch Freizeitangebote. Umgekehrt bringen Zweitwohnbesitzer:innen der Gemeinde kaum etwas ein, da sie nur gelegentlich vor Ort sind, aber nicht wohnen oder arbeiten.

Stichtag 21. März 2022: Bodenverbrauchs-Ziel erreicht

Vor 20 Jahren hat Österreich ein Nachhaltigkeitsgesetz beschlossen, das den jährlichen Bodenverbauch in ganz Österreich auf maximal 2,5 Hektar pro Tag begrenzen soll. Seit Jahren wird dieser Wert allerdings kontinuierlich überschritten. So hat Österreich für 2022 die Grenze von 2,5 Hektar pro Tag bereits am 21. März erreicht, das Bauen geht allerdings weiter. Vor allem in Kärnten.

Kärnten hat einen doppelt so hohen Pro-Kopf-Verbrauch an Boden wie der österreichische Durchschnitt.

Kärnten versiegelt einen Hektar Freifläche pro Tag. Das ist so viel, wie laut der Umweltschutzorganisation WWF ganz Österreich an einem Tag verbauen sollte. Kaum zu glauben, im Bundesland der vielen Berge und Seen. Denn durch den hohen alpinen Anteil und der vielen Gewässer gibt es in Kärnten nur begrenzt nutzbares Land. Doch überall, wo gebaut werden kann, wird auch gebaut. Im restlichen Land schaut es nicht viel besser aus: Laut Umweltbundesamt (2021) werden in ganz Österreich pro Tag zwölf Fußballfelder versiegelt.

Mit Unterschriften der Bodenversiegelung den Kampf ansagen

Die Auswirkungen der jahrzehntelangen rücksichtslosen Bebauung sind schon jetzt zu spüren: Überschwemmungen, Hitzeperioden, schlechte Ernten…! Um den nächsten Generationen einen Lebensraum zu hinterlassen, der sauberes Trinkwasser, gesunde Lebensmittel und eine große Artenvielfalt bietet, muss jetzt etwas getan werden, erklärt Olga Voglauer, Grüne Nationalratsabgeordnete und Initiatorin des Volksbegehrens zum Bodenschutz. Gemeinsam mit Gabriele Hadl, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin und Gemeinderätin der Grünen in Pörtschach und den Grünen Kärnten sagen sie der Versiegelung den Kampf an.

Das Volksbergehren fordert vom Land Kärnten:
  • Fruchtbare Ackerböden Kärntens schützen und Flächenfraß stoppen. Denn unsere Äcker zu schützen heißt, an unser Brot für morgen zu denken.
  • Chalet-Dörfer und Zweitwohnsitz-Burgen per Gesetz verbieten.
  • Bodenschutzstrategie gesetzlich verankern und einen Zielwert des täglichen Bodenverbrauchs in Kärnten festschreiben. *
Jede Stimme zählt

Das Bodenvolksbegehren ist in seiner Anfangsphase. Das heißt, um Fall für den Landtag zu werden, benötigt es 7.500 Stimmen.

Wer sich beteiligen möchte, so funktioniert’s:

  • Auf in die nächste Gemeinde oder zum Meldeamt
  • Unterstützungserklärung unterschreiben und bestätigen lassen
  • Ans Bodenvolksbegehren schicken und die Bodenversiegelung stoppen:
    Bodenvolksbegehren
    Bahnhofstraße 38A
    9020 Klagenfurt

* Im Herbst 2021 ist im Rahmen der ersten Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) seit zehn Jahren der Startschuss für die Bodenschutzstrategie gefallen. Die Strategie soll bis Herbst 2022 gemeinsam von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden beschlossen werden. Ziel ist, bis 2030 den Bodenverbrauch um 80 Prozent auf 2,5 Hektar zu reduzieren. Allerdings ist die Bodenstrategie nur eine Empfehlung und kein Gesetz, was viele NGO’s wie WWF und auch das Volksbegehren stark bemängeln. Deshalb fordert das Bodenvolksbegehren, dass die Bodenschutzstrategie eine verbindliche Obergrenze für den Flächenfraß und einen konkreten Maßnahmenkatalog beinhaltet.

Die große Glühbirnenverschwörung

In den 1920ern vereinigen sich die führenden Glühbirnenhersteller zum berüchtigten Phoebus-Kartell. Heimlich beschließen sie, die Lebensspanne ihrer Birnen drastisch zu verkürzen. Ihr Plan: Weniger Lebensdauer, mehr Umsatz. Die Folgen davon spüren wir bis heute. 

Treffen sich eine Gruppe Glühbirnenhersteller in einer Bar und schmieden einen dunklen Plan. Was klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, ist tatsächlich genau so passiert. 1924 kommen die mächtigsten Männer der Branche nach Genf. Ihr Ziel: den weltweiten Glühbirnenmarkt so manipulieren, dass sie möglichst viel Geld verdienen können.

„1.000 Stunden und nicht mehr!“

Die schmutzigen Absprachen des Phoebus-Kartells

In Anlehnung an den griechisch-römischen Sonnengott wählte das Kartell den Namen Phoebus. Es ist ironisch, dass Phoebus ausgerechnet für göttliche Erleuchtung und Reinheit steht. Denn die Absprachen des Kartells sind alles andere als sauber. Offiziell trifft man sich, um Produktionsmethoden abzugleichen und Lampenfassungen zu vereinheitlichen. Intern geht es aber um viel mehr. In einem Dokument des Berliner Landesarchivs ist der wichtigste Beschluss der Genfer Sitzung festgehalten: „Die durchschnittliche Lebensdauer der Glühlampen darf nicht für einen Wert von mehr als 1.000 Stunden garantiert, beworben oder angeboten werden.“

Bis dahin brannten die meisten Glühlampen mindestens doppelt so lange. Dünnere Glühdrähte setzten dem nun ein Ende. Das kontrolliert das Kartell rigoros. Alle Phoebus-Mitglieder müssen ab 1924 regelmäßig Proben an die Testlabors des Kartells schicken. Für jede verkaufte Glühbirne, die länger brennt, müssen sie hohe Strafen zahlen.

Die Phoebus-Methode macht Schule

Der Beschluss des Kartells in Genf führt zum weltweit ersten Fall von bewusst herbeigeführtem Verschleiß. Im Fachjargon spricht man von geplanter Obsoleszenz. Damit steht ausgerechnet die Glühbirne, ein Symbol für Fortschritt und Erfindergeist am Anfang eines großen Betrugs.

„Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie fürs Geschäft.“

Das schreibt das US-Werbemagazin Printers‘ Ink im Jahr 1928, nur vier Jahre nach dem ersten Treffen des Kartells. Noch wenige Jahre zuvor war es selbstverständlich, Produkte so haltbar und sicher wie möglich zu machen. Das Credo: je besser ein Produkt, desto besser verkauft es sich.

Mit Beginn der Massenproduktion setzt ein neues Denken ein. Um ihren Absatz stetig zu steigern, sollen Konsument:innen fortlaufend neue Produkte kaufen. Um das zu erreichen, helfen Firmen immer öfter mit gezielt verarbeiteten Verschleißteilen nach. Das Ergebnis: Mehr Müll und mehr Verschwendung für denselben Lebensstandard.

Licht aus für das Kartell

Die illegalen Absprachen des Kartells fliegen 1942 auf. Unzählige Gerichtsverfahren später verbieten amerikanische Richter schließlich die künstliche Verkürzung der Lebensdauer. Strafen muss allerdings keines der beteiligten Unternehmen zahlen. Und auch für Kund:innen hat das Urteil keine Folgen. Doch auch nach dem Urteil brennen die Glühbirnen nicht wieder so lange wie vorher.

Auch wenn das Phoebus-Kartell längst Geschichte ist, die von ihnen begründete Kurzlebigkeit von Produkten ist es nicht. Bis heute kämpfen Verbraucherschützer:innen oft vergeblich vor Gerichten, um Herstellern künstlich verkürzte Lebenszeit nachzuweisen.

Konsument:innen wollen langlebige Geräte

Immer mehr Konsument:innen wollen da nicht mehr mitspielen. 9 von 10 Befragten einer Studie der TU Berlin geben an, dass ihnen lange Haltbarkeit und Robustheit beim Smartphone-Kauf wichtig ist. Damit sind diese beiden Faktoren die wichtigsten überhaupt bei der Kaufentscheidung. Die Botschaft an die Hersteller könnte nicht eindeutiger sein.

Um die Haltbarkeit unserer Geräte zu erhöhen, spielen Reparaturen eine wichtige Rolle. Und hier ist die Politik gefragt. Österreich bereits zwei wichtige Schritte gesetzt.

  • 2021 halbiert die Regierung die Mehrwertsteuer auf Reparaturdienstleistungen von 20 Prozent auf 10 Prozent. Das heißt: Auf Reparatur wird nur mehr halb so viel Steuer gezahlt, wie bei einem Neukauf.
  • Seit Ende April dieses Jahres gibt es außerdem der bundesweiten Reparaturbonus von 200 Euro für die Instandsetzung von Elektroprodukten.

Frankreich geht einen etwas anderen Weg. Hier können Verbraucher:innen bereits beim Kauf eines Smartphones oder einer Waschmaschine vergleichen, wie einfach eine anfallende Reparatur des Gerätes sein wird. Ähnlich dem Energielabel ermöglicht der französische Reparatur-Index mit einer einfachen Grafik eine schnelle Einschätzung über die Reparierfähigkeit von Elektronikprodukten. Die Europäische Union plant an einen vergleichbaren Index für Smartphones.

Weg mit Wegwerfprodukten

Der Weg führt zurück zu langlebigen Produkten, die sich im Schadensfall reparieren lassen. Das schont Ressourcen, Umwelt und Klima und stärkt letztendlich auch kleine Betriebe in der Umgebung. Das Ende des geplanten Verschleißes ist damit eingeläutet! Bei dem Gedanken wäre dem Phoebus-Kartell wohl der Glühfaden durchgebrannt.

Langlebige Geräte schon vor dem Kauf erkennen

Langlebige Geräte zu erkennen, geht in Frankreich ganz einfach. Ein verpflichtendes Pickerl auf der Packung zeigt an, wie leicht sich ein Gerät reparieren lässt. Die Europäische Union plant nun eine ähnliche Kennzeichnung.

Vier Sommer hat er gehalten, der Rasenmäher. Jetzt muss er zum Mistplatz. Reparieren?  Geht nicht, sagt die Werkstatt.  Das Gerät ist so gebaut, dass eine Reparatur unmöglich ist. Also ab zum Baumarkt, um einen neuen Rasenmäher zu kaufen. Nur: Ob sich der reparieren lässt, erfahren wir erst, wenn er wieder kaputtgeht.

Auf einen Blick sehen, was sich reparieren lässt

Gerätehersteller machen es uns schwer, Wegwerfprodukte zu erkennen. Selbst für Profis ist es unmöglich, langlebige von kurzlebigen Produkten zu unterscheiden, ohne das Gerät aufzuschrauben. Produktbewertungen im Internet können zwar helfen. Sie zu lesen und zu vergleichen, kostet aber Zeit.

In Frankreich geht das einfacher. 2021 hat die französische Regierung den Indice de réparabilité eingeführt. Eine Kennzeichnung, die zeigt, wie leicht sich ein Gerät reparieren lässt. Konkret heißt das: Hersteller müssen auf der Verpackung ihrer Geräte ein Pickerl anbringen. Auf dem steht ein Punktestand zwischen null und zehn, der anzeigt, wie reparaturfreundlich ein Gerät ist. Vergleichbar ist das mit dem EU-Energielabel. Ein Blick auf die Packung und schon kann man den Stromverbrauch einschätzen.

So kommt die Bewertung zustande

Der Indice de réparabilité berücksichtigt die wichtigsten Kriterien fürs Reparieren. Lässt sich ein Gerät leicht zerlegen? Wenn ja, welche Werkzeuge braucht man? Wichtig ist außerdem, wie lange Ersatzteile verfügbar sind und wie viel sie kosten. Je länger ein Hersteller Teile seiner alten Produkte anbietet, desto besser schneidet er ab. In die Bewertung fließt überdies mit ein, ob der Hersteller Anleitungen zum Reparieren beilegt. Ohne diese Informationen können selbst Profis Geräte nur schwer wieder auf Vordermann bringen.

Wie auch Österreicher:innen vom französischen Reparaturindex profitieren

Das französische Start-up Spareka sammelt die Bewertungen des Indice de réparabilité und stellt sie auf ihrer Website zur Verfügung. Auch Österreicher:innen können so rund 1250 Geräte vor dem Kauf miteinander vergleichen. Die Seite ist zwar nur in französischer Sprache abrufbar – dank automatischer Übersetzungsfunktion kann man aber auch ohne Französischkenntnisse durch die Seite navigieren.

Links der französische Reparaturindex, rechts das in ganz Europa verpflichtende Energielabel
Reparieren ist Klima schützen

Derzeit gibt es den Indice de réparabilité nur für Wasch- und Spülmaschinen, Computer, Handys, Fernseher und Rasenmäher. Die französische Regierung will das Reparaturpickerl aber bald schon auf anderen Produktgruppen anbringen.

Das ist wichtig, denn je weniger Geräte vorzeitig am Mistplatz landen, desto besser ist das für unser Klima. Die Produktion von Elektrogeräten verbraucht enorme Mengen an Energie und Ressourcen. Je länger wir alte Geräte also nutzen können, desto weniger klimaschädliche Gase erzeugen wir. Würden alle Elektrogeräte innerhalb der EU nur ein Jahr länger halten, ließen sich so rund vier Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen. Das hat das European Environmental Bureau in einer Studie errechnet. Zum Vergleich: Das ist die Menge an CO₂, die 2 Millionen Autos in einem Jahr ausstoßen.

Europäische Union will eigenen Index

Wir brauchen also langlebige und reparierfreundliche Geräte. Das findet auch die Europäische Union. Mitte April hat das Europäische Parlament über die Initiative Recht auf Reparatur abgestimmt – und sie fast einstimmig angenommen. Teil dieser neuen Initiative ist auch eine Kennzeichnung der Reparierbarkeit auf Geräteverpackungen. Wann diese Kennzeichnung kommt und ob sie sich am französischen Index orientiert, ist noch offen.

Verchipt und zugeklebt: Halten moderne Geräte kürzer?

Moderne Geräte sind voll mit Elektronik und nur allzu oft billig produziert. Warum das immer mehr zu einem Problem für Klima und Umwelt, lesen sie hier.

Moderne Geräte sollen schlau sein. Schauen wir uns die Waschmaschine an. Sie erkennt die Menge an Wäsche, hat dutzende Programme und lässt sich per Smarthone steuern. Damit das möglich ist, braucht es Mikroelektronik. Das heißt: In den Geräten sind winzige Chips verbaut, wie wir sie aus Computern kennen. Solche Chips vertragen keine Feuchtigkeit. Und hier hakt es. Im Gegensatz zu Computern stehen Waschmaschinen oft in feuchten Kellern oder direkt neben der Dusche. Das kann die Lebenszeit des Chips deutlich verkürzen – und damit das der ganzen Waschmaschine.

Elektronik ist überall – und sie ist empfindlich

Ist der Chip defekt, steht die Maschine still. Auch Handwerker:innen können uns da nur mehr vertrösten. Dann wandert die Waschmaschine zum Mistplatz, obwohl die Mechanik der Waschmaschine einwandfrei funktioniert.

Das Problem mit den Software-Updates

Elektronik hat einen weiteren Nachteil: Sie braucht Software. Und die verlangt regelmäßig nach Updates. Das betrifft vor allem Computer, Smartphones oder Grafikkarten. Stellen Hersteller keine Software-Updates oder neue Treiber mehr zur Verfügung, können wir unsere mechanisch einwandfreien Produkte schnell nicht mehr benützen.

Der Kostendruck bei Herstellern ist enorm

Alte Geräte sind schwer. Jeder, der schon mal mit einer alten Waschmaschine umgezogen ist, weiß das. Neue Modelle bringen weniger Gewicht auf die Waage. Der Grund: Viele Teile sind nicht mehr aus langlebigem Metall, sondern aus Plastik.

Um Geräte billig anzubieten, sparen Hersteller oft beim Material. Der Kostendruck in unserer globalisierten Welt ist enorm, jeder konkurriert mit jedem. In der Praxis bedeutet das: Plastik statt Metall und Kleber statt Schrauben. Das trägt nicht nur dazu bei, dass Geräte schneller kaputtgehen. Sondern auch, dass Handwerker:innen sie nur schwer reparieren können. Verklebte Plastikbauteile brechen schon, wenn man das Gerät nur öffnet.

Ist die kurze Lebensdauer gewollt?

Die billige Bauweise der heutigen Geräte befeuert immer wieder Diskussionen zur geplanten Obsoleszenz. Das ist der Fachausdruck dafür, wenn Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte vorsätzlich verkürzen, um mehr Geschäft zu machen. Am bekanntesten ist der Fall des Phoebus-Kartells aus den 1920ern. Damals halbierten die führenden Glühbirnenfabrikanten die Lebensdauer ihrer Birnen nach einer geheimen Absprache. So etwas heutzutage nachzuweisen, ist schwer. Konsumentenschützer:innen beißen sich vor Gericht die Zähne aus. Denn: Sie müssen belegen, dass die Hersteller die Mängel vorsätzlich einbauen.

Das können wir selbst tun

Ob und wo geplante Obsoleszenz zum Einsatz kommt, können wir als Konsument:innen kaum feststellen. Trotzdem können wir beim Kauf einiges beachten.

  • Nicht zum billigsten Geräten greifen
    Wer sich beim Kauf nicht für das aller billigste Produkt entscheidet, hat in der Regel deutlich länger etwas davon. Das zeigen die Tests der Stiftung Warentest am Beispiel von Waschmaschinen. Kein Gerät unter 490 Euro hat den Dauertest bestanden. Hier behält also ein altes Sprichwort recht: Wer billig kauft, kauft zweimal.
  • Auf Reparierbarkeit achten
    Außerdem sollten wir uns für Geräte entscheiden, die sich leicht reparieren lassen. Dann muss das Gerät nicht gleich zum Mistplatz, wenn etwas defekt ist. Die zu erkennen, ist allerdings derzeit noch schwer. Die EU plant allerdings einen Reparaturindex, mit dem auf einen Blick ersichtlich ist, was sich leicht reparieren lässt. Frankreich hat mit dem Indice de réparabilité genau das bereits umgesetzt.
  • Geräte mit unnötiger Elektronik meiden
    Geräte mit wenig Elektronik halten in der Regel länger. Und: Sind sie doch defekt, lassen sie sich deutlich leichter reparieren als Geräte mit viel Elektronik. Braucht der Toaster wirklich einen LCD-Bildschirm?

Eine vierköpfige Familie aus Österreich verursacht im Schnitt 100 Kilo Elektroschrott pro Jahr. Würden unsere Geräte länger halten, müssten wir erstens weniger Neues produzieren und zweitens entstünde weniger Müll. Beides ist wichtig, um die Klimakrise auszubremsen.

Wie 100 Österreicher:innen das Klima retten sollen

Die Klimakrise und ihre Auswirkungen betreffen jede:n einzelne:n. Die Zukunft müssen daher alle mitgestalten können.  Im Klimarat erarbeiten 100 zufällig ausgewählte Bürger:innen Empfehlungen für den Weg zur Klimaneutralität. 

Wie kommen wir künftig in die Arbeit? Wie heizen wir die Wohnungen im Winter? Was werden wir in zukünftig zu Mittag auf dem Teller haben? Es sind Normalos, die derzeit Antworten auf Fragen wie diese finden. Pensionist:innen, Verkäufer:innen, Techniker:innen oder auch Schüler:innen suchen gemeinsam nach Lösungen in den Bereichen Ernährung und Landnutzung, Mobilität, Wohnen, Energie sowie Produktion und Konsum – den Kernthemen des ersten österreichischen Klimarats. Es diskutieren jene Personen, die im Alltag von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind. Ihre Meinung zu hören, ist daher wichtig.

Per Zufall in den Klimarat

Insgesamt sind es 100 Bürger:innen, die an sechs Wochenenden abwechselnd in Wien und Salzburg zusammenkommen. Vier Treffen haben bereits stattgefunden, bis Mitte Juni folgen noch zwei weitere. Sie wurden zufällig ausgewählt, damit möglichst viele Weltanschauungen, Altersgruppen, Berufe oder auch Wohnorte vertreten sind. Basierend auf dem Konzept der Bürgerräte arbeiten einfache Menschen Empfehlungen für die Politik aus. Wissenschaftler:innen stehen dem Rat mit fachlicher Expertise bei.

Anfang Mai wurde die Diskussionsarena für alle geöffnet. In einem Online-Forum konnte jede:r zehn Tage lang eine Meinung zu den Vorschlägen abgeben und sich mit eigenen Ideen einbringen. Unter anderem wurden folgende Punkte gefordert:

  • keine Sonderrabatte mehr auf Fleisch
  • leerstehende Gebäude besteuern
  • Neuwaren nicht mehr vernichten, nachdem sie zurückgesendet wurden
  • verstärkt auf Reihen- statt Einfamilienhäuser setzen
  • Klimaschutz in Lehr- und Studienplänen verankern.
Erfolge in Irland und Deutschland

In mehreren europäischen Ländern wurden in den letzten Jahren ähnliche Versammlungen abgehalten. In Frankreich sind die Erfahrungen weniger gut ausgefallen. Präsident Emmanuel Macron kündigte zunächst zwar an, die Empfehlungen ungefiltert an das Parlament weiterzugeben oder in einem Referendum darüber abstimmen zu lassen. Letztlich haben es knapp 40 Prozent der 149 Empfehlungen in einen Gesetzesvorschlag geschafft.

Irland hingegen gilt als Vorbild. 2018 haben sich 100 Bürger:innen unter anderem darauf geeinigt, dass Fahrspuren für Busse und Fahrräder ausgebaut, der Umstieg auf E-Autos forciert und Maßnahmen ausgearbeitet werden sollen, damit keine Lebensmittel verschwendet werden. Ein Großteil der Empfehlungen wurde im Klimagesetz berücksichtigt, zudem wurde ein Klima-Aktionsplan erstellt. Der Bürgerrat Klima in Deutschland hat letztes Jahr die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels als oberste Priorität definiert. Dazu hat sich auch die Ampelkoalition in ihrem Regierungsübereinkommen bekannt. Auch weitere Empfehlungen hat die neue Regierung berücksichtigt. Für die Klimarät:innen ist das ein großer Erfolg.

Und in Österreich

Zum heimischen Klimarat der Bürger:innen gab es bereits mehrere parlamentarische Anfragen. Dabei kam unter anderem heraus, dass ein Viertel des Budgets von rund zwei Millionen Euro für PR-Ausgaben verwendet wurden. Kritisiert wurde auch, dass damit auch Lothar Lockls Agentur Lockl & Keck beauftragt wurde. Laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat die Agentur bei einem umfassenden Auswahlprozess die beste Bewertung bekommen. Die Zusammenarbeit würde zudem gut verlaufen.

Was die Ergebnisse betrifft, hat Gewessler angekündigt, alle Empfehlungen des Klimarats der Bürger:innen zu sichten. Diese sollen Mitte des Jahres vorliegen.

Anschluss für alle: Jetzt kann jeder eine E-Ladestelle haben

E-Auto laden in der Wohnhausgarage? Bisher konnten einzelne Nachbar:innen in einem Mehrparteienhaus die Errichtung von E-Ladestellen de facto blockieren. Eine Gesetzesnovelle hat das mit Jahresbeginn geändert. Mit dem Right-to-Plug hat nun jeder das Recht zum Saft laden. FREDA erklärt, was das konkret bedeutet.

Familie Bauer hat eine Eigentumswohnung in einem Wohnhaus mit Garage. Für ihren Arbeitsweg braucht die Familie ein eigenes Fahrzeug. Um klimafreundlicher von A nach B zu kommen, soll das neue Fahrzeug mit Strom fahren. Doch daraus wird nix! Das Problem: Familie Mayer aus dem ersten Stock. Sie sagt Nein zur E-Ladestelle in der gemeinsamen Garage. Das Problem von Familie Bauer: Ohne Strom kein E-Auto! Sie entscheiden sich wieder für einen Verbrenner.

Wenn der Nachbar nein sagt

Diese Geschichte ist frei erfunden. Aber so oder so ähnlich ist das in Österreich öfter passiert. Ohne die aktive Zustimmung einer Mehrzeit der Hausparteien war der Bau einer E-Ladestelle nicht möglich. Das war in vielen Fällen ein de facto Veto-Recht gegen nachhaltige Mobilität der eigenen Nachbarn:innen. Seit der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes am 1. Jänner 2022 ist nun vieles unkomplizierter:

  • Wer eine Einzel-Ladestation errichten will, muss künftig nur die anderen Parteien schriftlich darüber informieren. Gibt es keinen wohlbegründeten Einspruch, kann es losgehen. Wenn sich doch jemand dagegen ausspricht, dann kann man immer noch gerichtlich die „Zustimmung ersetzen“ lassen, wie es im juristischen Fachjargon heißt – und zwar einfacher und mit besseren Erfolgschancen als bisher.
  • Wer mehrere Ladestationen gemeinsam mit anderen Parteien im Haus einrichten will, aber noch keine Mehrheit unter den Eigentümer:innen hat, kann sich in Zukunft zu einer sogenannten „E-Mobilitätsgemeinschaft“ zusammenschließen.
  • Allerdings: Für Ladestationen mit mehr als 3,7 kW (einphasig) oder mehr als 5,5 kW (dreiphasig) gilt in beiden Fällen weiterhin, dass man die aktive Zustimmung der Mehrheit der Parteien benötigt.
Ein Stein weniger am Weg zur Mobilitätswende

Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir den Co2-Ausstoß im Verkehr bis 2030 zumindest um ein Drittel reduzieren. Denn der Verkehr allein ist für fast die Hälfte aller Emissionen verantwortlich. Mit dem Right-to-plug rückt dieses Ziel ein kleines Stück näher. Das sieht die E-Wirtschaft ähnlich und begrüßt die Gesetzesnovelle. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, sieht in den neuen Regeln einen „wesentlichen Beitrag zur Erreichung unserer Energie- und Klimaziele“.

 

Flüchtlinge mit Fell: Hilfe für Haustiere aus der Ukraine

Seit Ende Februar versinkt die Ukraine im Krieg. Die Menschen fliehen vor Terror und Gewalt. Viele von ihnen haben Haustiere und wollen sie nicht zurücklassen. Wie Tierschützer:innen ihnen helfen und was jede:r beitragen kann.

Darüber, wieviele Menschen aus der Ukraine flüchten müssen, gibt es relativ gute Zahlen: 3,5 Millionen Menschen waren es Mitte Mai bereits. Aber: Wieviele Haustiere mussten schon den Panzern weichen? Sie reisen mit ihren Besitzer:innen in provisorischen Transportboxen oder Tragetaschen, manche Flüchtlinge nehmen ihre Katzen und Hunde auch einfach an die Leine. Hauptsache raus aus der Gefahrenzone und das möglichst schnell – für die Tiere bedeutet das den puren Stress. Jeder, der selbst ein Tier hat, weiß, wie belastend eine ungewohnte Situation für ein Tier sein kann. Doch was ist die Alternative? Das Tier zurücklassen? Für viele Ukrainer:innen ist das ein absolutes No-Go.

Erste Hilfe für geflüchtete Tiere

In Wien gibt es nun erstmals auch eine Station für geflüchtete Menschen mit Haustieren. Die Aktion A G’spia für’s Tier (kurz AGFT) bietet Erste Hilfe vor Ort an. Ursprünglich wurde sie für Tierhalter:innen in den Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe ins Leben gerufen, jetzt wurde das Angebot für Flüchtlinge mit Haustieren adaptiert – denn noch nie gab es einen Krieg, bei dem so viele Menschen ihre Haustiere mitgenommen haben. Täglich kommen 15 bis 70 neue Tiere in die Ankunftsstellen. Sie brauchen Futter, Tierärzt:innen oder einfach einen Schlafplatz. Weil derzeit so viele Tiere mit ihren Besitzer:innen auf der Flucht sind, dürfen sie derzeit ohne Einreisepapiere, Chips oder Tollwut-Impfnachweise reisen. Erst wenn die Besitzer:innen an einem Ort bleiben wollen, müssen sie ihre Tiere anmelden und chippen.

Verschnaufen an einem sicheren Platz

AGFT bietet Menschen und ihren Haustieren einen sicheren Platz an und eine Verschnaufpause. „Auch Tiere sind durch die Flucht einem extrem erhöhten Stresspegel ausgesetzt. Dadurch kann es immer wieder zu unvorhersehbaren Verhaltensweisen kommen“, erklärt Sabine Rauscher, Leiterin des Projekts A G’spiar für’s Tier der Volkshilfe Wien. Das Angebot des AGFT-Projekts im Detail:

„Ein kurzer Gesundheitscheck und das nötige Equipment, um einen sicheren Aufenthalt oder Weiterreise zu ermöglichen, ist unabdingbar und wird von uns kostenlos zur Verfügung gestellt.“

  • Erste-Hilfe: Vor Ort gibt es ehrenamtliche Helfer:innen und veterinärmedizinische Unterstützung, die Erste Hilfe für verletzte Tiere leisten. Tiere mit schweren Verletzungen oder Erkrankungen werden an Tierarztpraxen weitergeleitet, die ukrainische Tiere kostenlos behandeln.
  • Verpflegung: Besitzer:innen erhalten vor Ort alles, was ihre Tiere benötigen: von Futter und Spielzeug über Transportboxen bis zu Leinen und Decken.
  • Sichere Unterkunft: Bis sie ein gemeinsames Quartier gefunden haben, bieten Tierschutz Austria und das TierQuarTier Flüchtenden mit Haustier an, ihre tierischen Begleiter kostenlos aufzunehmen – entweder bei freiwilligen Privatpersonen oder Organisationen wie Tierschutz Austria. Das gilt auch, wenn die Besitzer:innen an Corona erkranken und in Quarantäne müssen.
  • Tour fürs Tier: Das Team von AGFT besucht die verschiedenen Unterkünfte und bietet allen Tierbesitzer:innen eine Erstversorgung an.
  • Aufklärungsgespräche & Betreuung: Ein Haustier ist eine riesige Herausforderung für alle, die ein Quartier suchen. Die Angst, es nach der temporären Versorgung in fremden Unterkünften nicht mehr wiederzubekommen, ist bei vielen Flüchtenden groß. Aufklärungsgespräche vor Ort sind daher extrem wichtig.
Gemeinsam helfen

Wer das Projekt mit Sachspenden unterstützen möchte, folgende Dinge werden dringendst benötigt:

  • Maulkörbe in allen Größen
  • Katzengeschirre
  • Leinen und Brustgeschirre
  • Floh- und Zeckenmittel
  • Transportkörbe
  • Futter in kleinen Portionen
  • Tierspielzeug
  • Katzentoiletten plus Zubehör

Sachspenden können 24 Stunden täglich beim TierQuartier abgegeben werden sowie im AGFT-Büro der Volkshilfe Wien, Breitenfurter Straße 336, 1230 Wien, jeweils von Mo-Do 8-15 Uhr; Fr 8-12 Uhr.