Große Ideen für die kleine Mahü-Schwester

Die Begegnungszone der Wiener Mariahilferstraße feierte im August ihren achten Geburtstag. Sie hat sich vom Zankapfel der Stadtregierung zur Lebensader Wiens gemausert. Doch es gibt einen Abschnitt der Mahü, wo alles beim Alten geblieben ist. Noch! Denn es gibt vielversprechende Ideen.

Wer wissen will, ob sich die Neugestaltung der Mariahilferstraße gelohnt hat, der stattet am besten dem 15. Wiener Gemeindebezirk einen Besuch ab. Denn da liegt ein Teil der Mahü, der nicht neugestaltet wurde. Ich spreche von der Äußeren Mariahilferstraße. Eine 1,8 Kilometer lange Straße, von der Nicht-Wiener:innen gar nicht wissen, dass es sie gibt. Sie führt vom technischen Museum durch den 15. Bezirk bis zum Westbahnhof, dort quert sie den Gürtel und wird schließlich zu jener Einkaufsmeile, die jede:r kennt.

Gefährliche Situation für Radfahrer:innen

Die Äußere Mariahilferstraße in ihrer jetzigen Form ist für Radfahrer:innen ein schwieriges Pflaster. Es gibt keinen baulich getrennten Radweg, sondern einen Mehrzweckstreifen. Also eine strichlierte Linie zwischen Fahr- und Parkspur, die auch Autos befahren dürfen. In der Praxis heißt das: Links Ausschau halten nach vorbeifahrenden Fahrzeugen, rechts öffnenden Autotüren ausweichen. Auch für Autofahrer:innen ist das keine angenehme Situation.

Hier kann jede:r erleben, wie Österreichs belebteste Einkaufsmeile getickt hat, bevor sie umgestaltet wurde. Wann holt Wien auch die äußere Mariahilferstraße endlich aus ihrem Dornröschenschlaf?
Schlechte Bedingungen für Geschäfte und Lokale

Auch Fußgänger:innen hat die Äußere Mariahilferstraße wenig zu bieten. Sie müssen sich in vielen Abschnitten der Straße auf engen Gehsteigen drängen. Wollen sie in die Bim steigen, müssen sie zu dem jedes Mal die Autospur queren.  Denn die Stationen sind sogenannte Inselhaltestellen, befinden sich also in der Mitte der Straße.

Wenn zu Fuß gehen unattraktiv ist, sieht es dementsprechend schlecht für den Einzelhandel und der Gastronomie aus. Während sich vom Westbahnhof bis zum Museumsquartier ein Geschäft an das andere reiht und die Nebengassen vor Schanigärten übergehen, stehen auf der Äußeren Mariahilferstraße viele Geschäftsflächen leer.

Der Bezirk mit den wenigsten Autos

Die Äußere Mariahilferstraße sieht zwar baulich aus wie eine Hauptverkehrsachse, sie ist es aber nicht. Im Wiener Straßennetz spielt sie keine größere Rolle. Wer mit dem Auto stadtauswärts in den 14. Bezirk will, für den ist die Wienzeile der schnellere Weg. Die Nachbarbezirke Meidling und Ottakring erreicht man über den Gürtel. Die äußere Mahü ist also hauptsächlich für die Erschließung des 15. Bezirks da. Nur: Die Menschen im Bezirk haben immer weniger Autos. Mit 282 PKW pro 1.000 Einwohner:innen ist Rudolfsheim-Fünfhaus der Wiener Bezirk, wo es pro Kopf am wenigsten Autos gibt. Die Straße spiegelt also schon lange nicht mehr wider, wie sich der Bezirk fortbewegt.

Das Potenzial der Äußeren Mahü

Dank des Westbahnhofes und zwei Straßenbahnlinien gibt es eine hervorragende öffentliche Anbindung, schöne Architektur und viele Geschäftsflächen, die auf eine Wiederbelebung warten. Die äußere Mahü steht ihrer großen Schwester in wenig nach. Was ihr fehlt, ist eine Straßengestaltung, die Menschen zum Aufenthalt einlädt und für alle Mobilitätsformen sicher ist.

Projekt „Mitte 15“ macht Hoffnung

Das Stadtentwicklungsprojekt „Mitte 15“ beschäftigt sich mit der Neukonzipierung des 15. Bezirks und den umliegenden Grätzeln. Eine Aufwertung der äußeren Mariahilferstraße ist ausdrücklich Teil des Projekts. Im Zuge des Projekts wurden Anfang 2023 auch die Anwohner:innen gefragt, was sie sich für ihren Bezirk wünschen. Das Ergebnis: Sie wollen mehr Grün- und Erholungsflächen sowie bessere Infrastruktur für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen. Also im Prinzip genau das, was die Neugestaltung der inneren Mariahilferstraße für die Menschen dort gebracht hat.

So könnte die Äußere Mariahilferstraße im 15. Wiener Gemeindebezirk aussehen, wäre sie eine Begegnungszone. © Wiener Grüne
Begegnungszone für die Äußere Mariahilferstraße

Im Sommer 2022 ließen die Wiener Grünen mit großen Plänen aufhorchen. Die Äußere Mariahilferstraße soll mit der Inneren gleichziehen und zur Begegnungszone werden. Außerdem soll sich die Anzahl der Bäume verdreifachen. Wie vielversprechend das aussehen könnte, zeigt eine Visualisierung. Basis des neuen Konzepts bildet eine Studie der TU Wien.

Gehen die Autos, kommt das Leben

Noch ist die äußere Mariahilferstraße stadtplanerisch am Stand der 1980er. Der Autoverkehr hat sie fest im Griff. Da wundert es wenig, dass selbst die Rudolfsheimer:innen ihre Freiheit lieber im umgestaltenden Teil der Mahü verbringen.

Schafft man dort aber mehr Lebensqualität, wird schnell Leben einziehen. Erinnern wir uns: Auch durch die innere Mariahilferstraße haben sich einmal Autokolonnen geschoben. Acht Jahre später ist sie zur Lebensader Wiens geworden. Es gibt keinen Grund, warum sich das rege Treiben der inneren Mahü nicht bald schon auf der anderen Seite des Gürtels fortsetzen könnte.

Über die/den Autor:In

Markus Englisch
Markus Englisch
Markus studierte TV- und Medienproduktion in Wien. Sein größter Antrieb als Journalist ist es, die Klimakrise für alle Menschen begreifbar zu machen. Zuletzt war er als Redakteur bei PULS 4 tätig und leitete das Nachhaltigkeitsmagazin KLIMAHELDiNNEN.

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