Beeinflussen wir Menschen unseren Planeten so stark, dass diese Veränderungen ein eigenes Erdzeitalter bestimmen? Offiziell wurde die Anerkennung des Anthropozäns bisher abgelehnt, doch das „Menschenzeitalter“ ist nicht mehr zu leugnen.
Zu tiefgreifend hat der Mensch den Planeten und das Erdsystem insgesamt bereits verändert. Fragt sich, ob dies nur von kurzer Dauer ist und sich die Erde bald erholt? Nein, meint die Wissenschaft: „Das Anthropozän ist gekommen, um zu bleiben, auch in geologischen Dimensionen“, sagt Michael Wagreich von der Uni Wien. Der Geologe gehört zu einem Forschungsteam um Colin Summerhayes von der Universität Cambridge. Die Wissenschafter:innen haben in einer Überblicksarbeit im Fachjournal „Global and Planetary Change“ das künftige Ausmaß und die Dauer des angenommenen Anthropozäns analysiert. Konzentriert haben sie sich dabei auf den Klimawandel und die Rolle der Ozeane sowie die Auswirkungen der globalen Erwärmung unter anderem auf das Meereis, Eisschilde, das Albedo der Erde, die Versauerung der Ozeane und die Artenvielfalt.
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Mehr InformationenErde gewinnt mehr Wärme, als sie verliert
In der Arbeit werden ausführlich die massive Zunahme der Treibhausgase, der Anstieg der globalen Temperatur und des Meeresspiegels, die Rolle der Ozeane sowie der Eisverlust und dessen Folgen dokumentiert. Der daraus resultierende Unterschied zwischen den stabilen Klimabedingungen des Holozäns, in dem die menschliche Zivilisation mehr als 11.000 Jahre gedeihen konnte, und jenen des angenommenen Anthropozäns, sei „erheblich und in vielen Aspekten unumkehrbar“, erklärte Wagreich.
„Das Anthropozän ist gekommen, um zu bleiben.“
Durch den sprunghaften Anstieg der Treibhausgasemissionen seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre heute höher als je zuvor in den vergangenen drei Millionen Jahren. Beziehe man die Wirkung der Methanemissionen ein, müsse man sogar 15 Millionen Jahre zurückgehen. Daraus resultiert ein Ungleichgewicht des Energiehaushalts der Erde. Unser Planet gewinnt mehr Wärme, als er verliert. Der Wert dafür liegt derzeit bei 1,36 Watt pro Quadratmeter.
„Selbst wenn die Treibhausgaskonzentrationen stabilisiert würden und die Nettoemissionsrate auf Null sinkt, also zusätzliche CO₂-Emissionen durch Entnahme aus der Atmosphäre ausgeglichen würden, wäre die Energiebilanz an der Erdoberfläche immer noch nicht im Gleichgewicht“, heißt es in der Arbeit. Diese gespeicherte Erwärmung würde so lange anhalten, bis das Energiegleichgewicht zwischen der Atmosphäre und den Weltmeeren, einer massiven Wärmequelle, über viele Jahrtausende hinweg wiederhergestellt wäre.
„Modelliert man das gestörte Erdklima in die ferne Zukunft, zeigt sich, dass die nächste Eiszeit noch mindestens 50.000 Jahre auf sich warten lässt. Bei weiteren Treibhausgasemissionen wird es aber mindestens eine halbe Million Jahre dauern“, betonte Wagreich.
Mensch verändert das Erdsystem
Für die Wissenschafter:innen stellt das Anthropozän eine dauerhaftere und wesentlichere Veränderung des Erdsystems dar als das nur 11.700 Jahre dauernde Holozän. Das war „ein kurzes Intervall, in dem komplexe, sesshafte menschliche Gesellschaften mit einem stabilen Erdsystem koexistierten, dieses aber nicht überforderten“. Die Menschheit müsse sich an die neuen Bedingungen anpassen und sich auf eine lange Zeitspanne vorbereiten.
Anthropozän
Aufgrund des beispiellosen Einflusses des Menschen auf die Erde plädieren seit einigen Jahren Experten dafür, das gegenwärtige Erdzeitalter „Anthropozän“ zu nennen. Der Begriff wird zwar bereits verwendet, aber bisher ist die Epoche nicht offiziell von den dafür zuständigen wissenschaftlichen Kommissionen und Organisationen anerkannt. (Red./APA)