„Frauen leben klimafreundlicher“

Klimaschutz geht uns alle etwas an. Immerhin geht es darum, auch in Zukunft noch ein Leben auf der Erde möglich zu machen. Doch nicht alle tragen gleichermaßen zu den Ursachen der Klimakrise bei.

Frauen leben zwar klimafreundlicher, zum Beispiel, indem sie weniger mit dem Auto fahren und weniger Fleisch essen, sind laut einem Bericht der Vereinten Nationen aber 14-mal höher von den Folgen der Klimakrise betroffen als Männer. Von Klimapolitik profitieren Frauen, von Frauenpolitik profitiert das Klima. In den Klimabewegungen kämpfen Frauen und Mädchen schon seit Jahren für eine bessere Zukunft. An den Verhandlungstischen sitzen mittlerweile mehr Frauen, sie sind aber weiterhin in der Unterzahl. Damit Klimalösungen auch wirken, müssen alle gesellschaftlichen Gruppen und damit auch alle Geschlechter zusammenarbeiten. FREDA hat mit Österreichs bekanntester Klimaaktivistin Lena Schilling über das Thema Klimaschutz und Feminismus gesprochen.

FREDA Magazin: Lena, warst du zuerst Feministin oder Klimaaktivistin?

Lena Schilling: Ich habe lange mit dem Begriff Klimaaktivismus oder Klima wenig anfangen können. Wir wachsen alle in einem Familienkontext auf, wo die Frage von Reproduktionsarbeit, die Frage von Frauen und Männern und Familienkonzepten schon von klein auf mit anerzogen wird. Deswegen war ich sicherlich zuerst Feministin, bevor ich Klimaaktivistin geworden bin. Ich glaube, dass wir als Klimaaktivistinnen und Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung sowieso immer Feministinnen sind.

Kann man Klimaschutz und Gender überhaupt unabhängig voneinander denken?

Nein, auf gar keinen Fall. Einerseits weil es um die Betroffenheit geht, weil Frauen einfach stärker betroffen sind von der Klimakrise. Global, aber auch hier. Wenn wir einen Klimagerechtigkeitskampf kämpfen, kämpfen wir immer auch für Frauenrechte. Und umgekehrt. Als Feministinnen brauchen wir eine Welt, in der wir auch morgen noch gut leben – und besser als heute.

Was kann die Klimabewegung von der Frauenbewegung lernen?

Nicht aufzugeben. Die Frauenbewegung besteht schon sehr lange. Wir könnten die Französische Revolution mit Olympe de Gouges 1791 und der Erklärung der Allgemeinen Rechte der Frau als Anfangspunkt nehmen. Oder viel später, mit dem Frauenwahlrecht und den ersten Bewegungen dafür. Auch zu lernen, dass wir die Mehrheit sind und, dass wir dementsprechend gewinnen werden, aber dass es oft dauert. Die Machtverhältnisse sind eingefahren, aber nicht unveränderbar.

Die Klimabewegung tritt nach außen sehr weiblich auf. Wünschst du dir, dass auch mehr Männer aktiv werden oder ist es eine Stärke der Bewegung, dass vor allem Frauen um eine bessere Zukunft kämpfen?

Klimaaktivistin und Autorin Lena Schilling
Lena Schilling bei der FREDA Diskussion / Foto: K.Pernegger

Mehr Menschen sollen Teil der Klimabewegung sein. Eigentlich wir alle. Und da würde ich keinen Unterschied machen. Unsere Strukturen in der Gesellschaft sind so, dass sie oft Männer bevorzugen und Frauen unterdrücken, ausbeuten und diskriminieren. In der Bewegung muss es uns gelingen, ein Umfeld zu schaffen, in dem es Gleichheit gibt, wie ein Vakuum. Und da sollen Männer genauso einen Platz haben. Es geht nie darum, sie wegzudrängen, sondern, ganz im Gegenteil, ein Umfeld zu schaffen, wo man neben ihnen stehen kann.

„Wenn man klimafreundliches Verhalten vereinfacht, vereinfacht man das Leben von Frauen.“

Wie schaut für dich eine feministische Klimapolitik aus? Was ist deine Vision?

Klimapolitik und gerichtete Klimamaßnahmen helfen immer auch der feministischen Bewegung, weil es um eine Demokratisierung und Gleichstellung geht. Eine der besten Klimaschutzmaßnahmen, die wir umsetzen könnten, wäre eine Arbeitszeitverkürzung. Die Arbeit ist dann anders verteilt. Es geht dann nicht darum, das Gesellschaftssystem auf einem wachsenden Bruttoinlandsprodukt aufzubauen, sondern darum, dass es allen Menschen gut geht. Aktuell ist jedes vierte Kind in Österreich von Armut betroffen. Die Umverteilung von Vermögen, eine Vermögenssteuer, eine Erbschaftssteuer, das sind alles Klimamaßnahmen, auch wenn wir das manchmal nicht so deutlich machen.

Gleichzeitig: Wenn man den Individualverkehr einschränkt und dafür den öffentlichen Verkehr ausbaut, hilft man damit Frauen. Mehr Männer fahren Auto als Frauen. Das steht so eng aneinander, aber ich glaube, wir zeigen das gar nicht oft genug. Im Grunde könnte man sagen, dass Frauen klimafreundlicher leben und wenn man klimafreundliches Verhalten vereinfacht, vereinfacht man das Leben von Frauen.

In der Klimabewegung kämpfen überwiegend Frauen, an den Schalthebeln der Macht sind immer noch überwiegend Männer, die sich dann zum Beispiel für Verbrennungsmotoren einsetzen. Wie gehst du damit um, dass die, die ihr zum Handeln bewegen wollt, so schwer zu erreichen sind?

Ich glaube, bei manchen Menschen macht es keinen Sinn mehr, sie zu erreichen, sondern Mehrheitsverhältnisse zu schaffen, in denen man sie abwählen kann. Die Strukturen zu bauen, dass sie nicht mehr an der Macht sitzen, finde ich durchaus sinnvoll. Dafür muss man mit den Menschen reden.

Du bezeichnest dich selbst als Löwenmama. Wie prägt dich das in deinem Aktivismus?

Jeden Tag. Ich mache politische Arbeit mit und für die jungen Menschen, die das zusammen mit mir machen. Ich bin die Älteste in meiner Organisation (Jugendrat, Anm. der Redaktion). Diese jungen Menschen, die zu mir kommen, die kommen da mit dem Anspruch hin, diese Welt zu verändern. Ich habe den Anspruch, das mit ihnen zu tun. Aber auch für junge Frauen da zu sein in ihren alltäglichen Problemen. Bewegungsarbeit heißt ja auch, dass wir einander bewegen. Vom ersten Liebeskummer bis zu Schulproblemen, ist man füreinander da und wir sind ja nicht nur politische Wesen, sondern auch welche, die im privaten Kontext agieren.

Gemeinsam für eine wichtige Sache kämpfen und gleichzeitig genug Zeit haben, füreinander da zu sein. Das klingt, als hättet ihr im Umgang miteinander eine Utopie realisiert.

Ich glaube, es laufen sicher noch ein paar Sachen falsch. Also angefangen davon, dass wir auch damit hadern, wie wir es schaffen, Mehrheitsverhältnisse zu verändern. Klar, ich glaube, miteinander gehen wir sehr, sehr gut um, aber wir sind ja in der Klimakrise noch nicht dort, wo wir hinmüssen. In diesem Bewegungsraum versucht man Orte zu schaffen, die sehr nahe da dran sind, wo man hin möchte und gleichzeitig die Welt zu bewegen, damit das, was wir im Kleinen machen, auch im Großen funktioniert.

Lena Schilling (22) ist Klimaaktivistin und Autorin. Die Wienerin hat den Jugendrat gegründet und mit ihren Mitstreiter:innen unter anderem die Baustelle für den Lobau-Tunnel besetzt.  

Über die/den Autor:In

Nicole Frisch
Nicole Frisch
Nicole studiert Politikwissenschaft und Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Das Ziel: Die Weltpolitik verstehen – und das Verstandene mit möglichst vielen Menschen teilen. Ihren Weg in den Journalismus hat sie über die NÖN gefunden. Ihre Schwerpunkte sind soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Migration und Vergangenheitspolitik.

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