Junge Menschen wollen anders arbeiten als die Generationen vor ihnen. Was sie von ihren Vorgesetzten fordern, nutzt aber allen.
Wir sind in einem typischen Großraumbüro in Österreich. Die Luft ist abgestanden, das Licht ist grell und irgendwo gurgelt eine Kaffeemaschine. Gleichmäßig im Raum verteilt sitzen Mitarbeiter:innen auf ihren zu Inseln zusammengeschobenen Schreibtischen. Eine dieser Inseln gehört Elias und Silvia – vierzig Stunden sitzen sie sich jede Woche gegenüber. In diesem Artikel werden uns beide mehrfach begegnen. Sie sind frei erfunden, stehen aber stellvertretend für ihre Generation.
Einstellung zur Arbeit ändert sich
Wie wir zu unserer Arbeit stehen, hängt stark davon ab, wann wir geboren sind. Silvia ist Mitte fünfzig und gehört damit zu den Babyboomern. Als typische Vertreterin dieser Generation hat sie eine hohe Arbeitsmoral, ist gut strukturiert und hält lange Arbeitszeiten unerlässlich für Erfolg. Für sie steht Arbeit im Mittelpunkt ihres Lebens. Mit Fleiß und Disziplin hat sie sich ein Haus gekauft und sich die meisten ihrer materiellen Wünsche erfüllt.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches sieht es mit den Werten völlig anders aus. Elias ist Anfang 30 und damit ein Millennial. Seine Generation legt viel Wert auf Selbstverwirklichung und sucht Sinn in der Arbeit. Wichtig ist ihm außerdem, genügend Zeit für Hobbys, Freunde und Familie zu haben. Elias wünscht sich deswegen flexible Arbeitszeiten und überlegt auf Teilzeit zu reduzieren. Irgendwann mal Eigentum zu besitzen, ist kein wichtiges Ziel seiner Generation mehr.
Natürlich sind alle Menschen unterschiedlich und weichen von den Stereotypen ihrer Generation ab. Trotzdem beobachten Expert:innen Muster, wenn sie den Arbeitsmarkt als Ganzes betrachten. Eine von ihnen ist Lena Marie Glaser. Im Interview spricht sie mit uns über den Wandel am Arbeitsplatz. Junge Fachkräfte stünden Arbeit völlig anders gegenüber, sagt sie – und darin sieht sie eine Chance. Im Buch „Arbeit auf Augenhöhe“ zeigt sie auf, wie die nachrückende Generation unsere Arbeitswelt zum Positiven verändern kann.
Mit New Work rückt der Mensch ins Zentrum
Glaser ist Expertin für New Work und hat 2017 ein Labor für die Arbeit der Zukunft gegründet. Dort erforscht sie Trends und Innovationen am Arbeitsmarkt und berät Unternehmen, wie sie für Menschen wie Elias attraktive Jobs schaffen.
„Es geht um gesunde Arbeitsbedingungen, um Fairness und Wertschätzung“
„New Work ist ein Begriff, der oft missverstanden wird“, erzählt uns Glaser. Eigentlich rückt mit New Work der Mensch mit seinen Bedürfnissen ins Zentrum. „Es geht um gesunde Arbeitsbedingungen, um Fairness und Wertschätzung“, schildert sie. Dinge, die jungen Fachkräften wichtig sind. Aber einige Unternehmen würden in New Work ein Managementtool zur Produktivitätssteigerung sehen.
Viele Österreicher:innen haben Stress im Job
Das gehört zur alten Denkschule, bei der es nur um Leistung geht. Diese Arbeitskultur überfordert aber viele Menschen und belastet sie psychisch. Zahlen einer Befragung des Jobportals karriere.at zeigen, wie viele Menschen in Österreich das betrifft. Von 1.000 Befragten gab 24 Prozent an, sehr oft mit Stress und Überlastung im Job konfrontiert zu sein, weitere 42 Prozent zumindest regelmäßig oder zumindest manchmal. Wozu das führt, zeigen die Zahlen einer weiteren Befragung. Ein Viertel aller Arbeitnehmer:innen wollen mittlerweile Job wechseln, sagt der österreichische Arbeitsklima-Index. Am größten ist der Wunsch zum Wechsel im Unterrichtswesen (25 Prozent), im Sozialbereich (25 Prozent) und im Tourismus (41 Prozent).
Menschen, die keinen klassischen Bürojob ausüben, fühlen sich von New Work-Konzepten oft nicht angesprochen. Zum Beispiel Lehr- und Pflegekräfte oder Menschen in der Gastro und im Tourismus. „Wenn man in New Work nur auf Home-Office und 4-Tage-Woche reduziert, dann stimmt das ja“, hält Glaser fest. Aber das Thema ist ja viel größer. Gerade diese Branchen brauchen eine neue Arbeitskultur am meisten. Die Bewegung, die es hier für Veränderung braucht, kommt gerade von den Jungen.
Fairen Arbeitsbedingungen als Wettbewerbsvorteil
Jedes Jahr strömen neue Menschen von der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt. Sie denken tendenziell mehr wie Elias und weniger wie Silvia. Darauf müssen Unternehmen reagieren. Schon jetzt ist es viel schwerer Fachkräfte zu finden als früher. Vier von fünf Unternehmen haben Probleme damit, Fachstellen zu besetzen. Das haben sie bei einer Studie im Juli 2022 angegeben. Wollen Sie weiter wirtschaftlich erfolgreich sein, müssen sie Jobs schaffen, die junge Menschen ansprechen.
„Gute Fachkräfte können sich selbstbewusst aussuchen, für wen sie arbeiten wollen.“
„Die Machtverhältnisse haben sich in den letzten Jahren verschoben“, fasst es Glaser zusammen. „Gute Fachkräfte können sich selbstbewusst aussuchen, für wen sie arbeiten wollen.“ Daher sollten Unternehmen nicht erwarten, dass sie sich an althergebrachte Arbeitsweisen anpassen. Vielmehr liegt es an den Unternehmen, sich an den Wünschen der jungen Fachkräfte anzupassen. Und: Es gehe aber nicht nur um die Neuen, meint Glaser. „Unternehmen müssen auch schauen, wie sie bestehende Mitarbeiter:innen mit fairen und gesunden Arbeitsbedingungen halten können.“ Jene Unternehmen, die das schaffen, würden zukünftig die erfolgreichsten sein. Davon ist Lena Marie Glaser überzeugt.
Von den Forderungen der Jungen haben alle was
Junge Leute seien ja nur faul und hätten unrealistische Luxusforderungen. Das bekommt Lena Marie Glaser oft zu hören. Meist sind es ältere Menschen aus der Generation von Silvia. „Was junge Fachkräfte fordern, ist sehr vernünftig“ findet Glaser. Sie wollen in einem Unternehmen arbeiten, in dem sie respektiert und gefördert werden. Sie wollen eine Arbeitskultur, in der sie sich mit Ideen einbringen können und gehört werden. Und sie fordern Arbeitsbedingungen, die nicht ihr Wohlbefinden belasten. „Das sind keine Luxusforderungen für mich“, sagt Glaser.
Die nachkommende Generation will einen Job, der mit ihrem Privatleben vereinbar ist. Manche suchen sich Teilzeitjobs und leben sparsamer. Andere arbeiten zwar Vollzeit, sind aber nicht mehr bereit, Unmengen an Überstunden zu leisten. Politische Forderungen, die Teilzeit unattraktiver machen sollen, werden das nicht ändern können. Junge Fachkräfte wollen anders arbeiten. Und dadurch bringen sie etwas ins Rollen, von dem alle profitieren.
Silvia und Elias haben zwar unterschiedliche Einstellungen zur Arbeit. Sie sind aber keine Gegenspieler:innen. Sie teilen sich nicht nur eine Schreibtisch-Insel, sondern auch den Wunsch nach Fairness und guten Arbeitsbedingungen. Diese Bedürfnisse sind generationenübergreifend.
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