„Der logische Schritt ist die vegane Kochlehre“

Aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen oder der Umwelt zuliebe – immer mehr Menschen entscheiden sich für eine rein pflanzliche Ernährung. Immer mehr Restaurants haben ihre Speisekarten um vegetarische und vegane Speisen erweitert. Kein Trend, eine Lebenseinstellung. Der nächste logische Schritt: „Eine vegane Kochlehre!“, meint Evelyn Matejka, Köchin der ersten veganen Berghütte Österreichs.

Laut Schätzungen der Veganen Gesellschaft Österreich leben in Österreich 2021 rund 840.000 Vegetarier:innen, 106.000 Veganer:innen und über 4,6 Millionen Flexitarier:innen. Kurz gesagt, ernährt sich über die Hälfte der Österreicher:innen zu großen Teilen von pflanzlichen Lebensmitteln. Der Ruf nach einer veganen Kochausbildung wird daher immer lauter. Der Weg dorthin ist aber noch steinig, was sagt die Gastronomie dazu? FREDA hat mit Evelyn Matejka gesprochen, Chefköchin der Franz-Fischer-Hütte – Österreichs ersten fleischlosen Berghütte.

Trendsetter hoch oben am Berg

Dort, wo das Murmeltier und der Adler sich „Gute Nacht“ sagen, weit entfernt vom Großstadttrubel und Autolärm, setzt Berghütten-Köchin Evelyn tagtäglich neue Trends: In Österreichs ersten fleischlosen Berghütte werden seit über sieben Jahren kulinarische Highlights wie Käferbohnenknödel, geräucherte Knödel oder auch falsches Rührei serviert – und das mit großem Erfolg. Ihr Geheimrezept: urtypische Speisen aus der Region, die mit viel Liebe und ganz ohne tierische Produkte neu interpretiert werden. Das Ergebnis spricht für sich: volle Tische, ausgebuchte Betten und viele Stammgäste, die eigens für Evelyns Küche die Salzburger Berge hochwandern. Eine Berghütte ohne traditionelle Fleischgerichte mag ungewöhnlich erscheinen, funktioniert aber bestens. Doch wie kam es dazu?

Die Franz-Fischer-Hütte liegt im Salzburger Lungau, auf 2.020 m Höhe. Sie ist Österreichs erste vegane Hütte in den Alpen. © Franz-Fischer-Hütte
Die Franz-Fischer-Hütte liegt im Salzburger Lungau, auf 2.020 m Höhe. Sie ist Österreichs erste vegane Hütte in den Alpen. © Franz-Fischer-Hütte
Hauptsache es schmeckt

Vor rund acht Jahren haben Evelyn und ihr Partner Tom die Berghütte übernommen, damals noch mit einer kleinen Fleischkarte. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase stand jedoch schnell fest: Das Fleisch muss weg. Dieser Entschluss ist sowohl von ihrer persönlichen Einstellung, beide essen kein Fleisch, als auch von der Qualität des Fleisches beeinflusst worden: „Für unsere Speisen haben wir AMA-Produkte verwendet. Nachdem es aber gefühlt jede Woche einen Skandal von einem AMA-Gütesiegel-Bauernhof oder -Lieferanten gegeben hat, haben wir uns entschlossen, komplett auf Fleisch zu verzichten“, erklärt Evelyn.

Der Wechsel von Fleisch zu fleischlosen Gerichten ist auf der Berghütte kaum ein Thema gewesen. Evelyn stellte die Gerichte auf den Tisch und die Gäste griffen begeistert zu. „Es wird zwar oft behauptet, dass die Mehrheit der Menschen keine veganen Speisen wollen, aber meiner Meinung nach stimmt das nicht. Es muss nur schmecken, und dann verzichten viele gerne auf Fleisch“, so Evelyn. Angesichts der Klimakrise ist es laut der Köchin auch keine Frage des Wollens mehr. Vielmehr ist es ein Muss, den eigenen Fleischkonsum zu überdenken, zu reduzieren oder im besten Fall ganz zu beenden.

Spezialitäten aus dem Lungau - neu interpretiert, ganz ohne tierische Produkte. © Franz-Fischer-Hütte
Pizzoccheri (della Val Tellina), ein traditionelles Gericht aus dem Gebiet an der Grenze zwischen Südtirol und der Lombardei, ohne tierische Produkte von Evelyn neu interpretiert. © Franz-Fischer-Hütte
Ein Must-have: Vegane Küche

„Ich habe jetzt schon öfters gelesen, dass sich vor allem ältere Traditionsköche fragen, was die jungen Menschen drei Jahre lang in der veganen Ausbildung lernen sollen. Dabei gibt es so viele fantastische Gemüsesorten und Arten, diese auch zu verarbeiten. Nur eine Handvoll davon werden in vielen Küchen gelehrt oder gar zubereitet“, so die Köchin. Teils fehlt die Erfahrung, teils die Kreativität aus Tomaten, Kürbissen, Zucchini und Co kulinarische Leckerbissen zu zaubern. Seit einigen Jahren gibt Evelyn im Winter daher auch Kochseminare – insbesondere für Köch:innen in Vier- und Fünfsterne-Hotels. Die Seminare sind immer ausgebucht. Ein klares Zeichen, dass es noch große Defizite in der Gemüseküche gibt und Know-how sehr gefragt ist. „Wer am heutigen Markt mithalten möchte, national wie international, für den ist eine vegane Küche ein absolutes Muss“, so Evelyn.

„Vegan-Sein ist eine Lebenseinstellung“

Eine vegane Kochlehre ist für Evelyn daher auch der nächste logische Schritt. Auf die Frage, ob den Auszubildenden später eventuelle Kenntnisse mit Fleisch oder Fisch fehlen, meint sie: „Wenn ein junger Mensch diesen Weg einschlägt, dann ist das für sie oder ihn nicht nur eine Ausbildung, sondern eine Lebenseinstellung – man lebt das vegan-sein.“ Im Falle einer Veränderung könne man später noch immer eine Weiterbildung machen. Warum Evelyn dann nicht einfach selbst Lehrlinge ausbildet, liegt am Gesetz. Aktuell dürfen nämlich nur Betriebe Lehrlinge ausbilden, die auch Fleisch und Fisch zubereiten. Das heißt, vegane Restaurants wie die Franz-Fischer-Hütte dürfen bis dato nur Hilfskräfte einstellen, aber keine Lehrlinge ausbilden. Mit einer veganen Kochausbildung würde sich auch das ändern. Wie sieht also eine ideale vegane Ausbildung aus?

"Zu Beginn meiner Kochkarriere habe ich gemerkt, dass ich ein Talent dafür habe verschiedene Zutaten zu kombinieren und tolle Kreationen daraus entstehen zu lassen. Das ist auch das Geheimnis meiner Speisen - Mut Neues auszuprobieren und kreativ sein", erzählt Evelyn. © Franz-Fischer-Hütte
„Zu Beginn meiner Kochkarriere habe ich gemerkt, dass ich ein Talent dafür habe, verschiedene Zutaten zu kombinieren und tolle Kreationen daraus entstehen zu lassen. Das ist auch das Geheimnis meiner Speisen – den Mut zu haben, Neues auszuprobieren“, erzählt Evelyn und zeigt uns ihren veganen Heidelbeerkuchen. © Franz-Fischer-Hütte
Die vegane Kochausbildung

Laut der Berghütten-Köchin sollte sich eine vegane Kochausbildung nicht nur auf die reinen Kochtechniken beschränken, sondern auch ein ganzheitliches Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Natur und Nachhaltigkeit vermitteln. Das heißt, die angehenden Köchinnen und Köche sollten lernen, wie man schmackhafte vegane Gerichte zubereitet, aber auch woher die Zutaten stammen, wie sie angebaut werden und welche Auswirkungen all das auf die Umwelt hat. Dazu gehört beispielsweise auch das Wissen über nachhaltigen Anbau, saisonale und regionale Produkte, Ersatzprodukte für tierische Zutaten sowie die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und den Einsatz von umweltfreundlichen Kochmethoden etc. Eine vegane Kochlehre hätte somit auch das Potenzial eine gesellschaftliche Veränderung zu bewirken.

Darüber hinaus ist für die Köchin auch der Gesundheitsaspekt sehr wichtig. „Ich finde, ein essenzieller Teil der Ausbildung sollte die Ernährungslehre sein. Inwiefern kann sich der Fleischkonsum auf die Gesundheit auswirken, worauf sollte ich achten, wenn ich mich rein vegan ernähre. Aber auch, welche Gemüsesorten gibt es und wie können sie harmonisch miteinander kombiniert werden. Das sind alles Dinge, die vegane Köchin oder Köche wissen müssen“, so die Köchin. Eine ideale Kochausbildung wäre für Evelyn dementsprechend eine Kombination aus Ernährungs- und Naturwissenschaft, Pflanzenkunde und die Zubereitung veganer Speisen.

Nicht nur die fleischlose Küche macht die Hütte zum Erfolg. Nachhaltigkeit ist hier Trumpf: Der Strom wird aus dem eigenen Wasserkraftwerk am Zaunersee gewonnen und es gibt eine biologische Abwasserkläranlage. © Franz-Fischer-Hütte
Nicht nur die fleischlose Küche macht die Hütte zum Erfolg. Nachhaltigkeit wird hier generell großgeschrieben: Der Strom wird aus dem eigenen Wasserkraftwerk am Zaunersee gewonnen und es gibt eine biologische Abwasserkläranlage. © Franz-Fischer-Hütte
Macht Platz für die Zukunft

„Es ist Zeit, dass wir endlich alte Muster ablegen und Traditionsspeisen wie Wiener Schnitzel überdenken“, meint die Köchin. Aktuell hinkt Österreich in Sache vegane Ernährung international noch weit hinten nach. „Blickt man beispielsweise nach Dänemark, dort war die Küche früher nicht besonders spektakulär. Seitdem sie sich aber auf eine fleischlose Küche spezialisiert haben, entstehen dort die außergewöhnlichsten Speisen.“ Das könnte Österreich auch schaffen, meint die Köchin. Vielmehr noch, Österreich könnte mit einer veganen Kochausbildung international sogar eine Vorreiterrolle übernehmen.

Auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel wäre eine vegane Kochausbildung laut Evelyn sehr zu befürworten. Denn Fakt ist: Rund ein Viertel der Jugendlichen ernährt sich vorwiegend fleischlos. In einem Betrieb zu arbeiten, in dem Fleisch zubereitet wird, ist für viele ein No-Go. Eine rein vegane Ausbildung und neue Arbeitsplätze würden demnach vielen Menschen neue Türen öffnen. „Wir haben beispielsweise dieses Jahr eine Stelle ausgeschrieben – eine Hilfskraft für die Küche. Auf diese Anzeige haben sich über 100 Personen beworben. Und das, obwohl es eigentlich in der Gastronomie aktuell zu wenig Fachkräfte gibt“, erzählt Evelyn. Von dem ist in der Berghütte nichts zu spüren. Auch letztes Jahr haben sich über 80 Personen auf eine ausgeschriebene Stelle in der Küche beworben. Der Grund dafür ist laut Evelyn ganz einfach: „Wir leben gesund, nachhaltig, regional und biologisch und das spricht viele junge Menschen an.“

Die aktuelle Lage: vegane Kochausbildung

Der Ruf nach Veränderung ist auch bei vielen anderen Gastrobetreibenden laut, erhört wurde er bis dato allerdings nicht. In der letzten Sitzung des Fachverbands der Gastronomie ist eine rein vegetarische / vegane Kochausbildung von seitens der WKO abgelehnt worden. Laut Mario Pulker, Obmann des Fachverbands Gastronomie, liegt es nicht daran, dass grundsätzlich eine vegane Kochausbildung abgelehnt wird. Vielmehr fehlen bisher noch konkrete Inhalte, die für die Schaffung eines solchen Lehrberufes notwendig wären. Erst im November 2023 kann erneut über eine mögliche vegane Kochausbildung abgestimmt werden.

Joachim Ivany, Küchenchef der Erbsenzählerei und Vertreter der Grünen Wirtschaft, arbeitet daher aktuell mit seiner Arbeitsgruppe die erforderlichen Unterlagen aus, um diese beim neuen Durchgang durchbringen zu können. Laut dem Küchenchef soll der neue Lehrgang eine komplett gleichwertige Ausbildung sein, nur einfach ohne den Fleischbetrieb. Durch das verpflichtende Zubereiten von Fleisch blockiert man nämlich viele fleischlose Betriebe wie die Franz-Fischer-Hütte, die ausbilden wollen und Jugendliche, die gerne lernen würden. Die neue Kochausbildung soll das nun ändern.

Jetzt heißt es nur noch abzuwarten, wann auch die WKO den Weg freimacht für eine neue Ausbildung, die unserer aller Zukunft zugutekommt.

Über die/den Autor:In

Linda Weidinger
Linda Weidinger
Linda hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie CREOLE an der Uni Wien studiert. Die letzten Jahre arbeitete sie als Journalistin und Social Media-Redakteurin. Ihr Ziel: Die Menschen aufzuklären. Ihr Traum: eine offene, tierliebe und tolerante Gesellschaft. Ihre Schwerpunkte: Gerechtigkeit, Klima- und Umweltschutz.

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