Wo auch immer ein Biber in den Wald einzieht, steigt die Artenvielfalt. Bei einem Spaziergang durch den Nationalpark Donauauen lässt sich gut nachvollziehen, wie der Nager das anstellt.
Drei klatschende Schläge im Wasser, dann Stille. Wer öfter durch die Auenwälder in Orth an der Donau streift, weiß, was das gerade war. Man hat fremdes Revier betreten. Biberrevier. Und das ist den scharfsinnigen Nagern nicht entgangen. Mit seinem schuppigen Schwanz, der Kelle, schlägt einer von ihnen kräftig auf die Wasseroberfläche. Jetzt weiß der restliche Biberclan Bescheid: potenzielle Gefahr im Anmarsch. Sie tauchen ab und beobachten die Lage im Verborgenen.
Im Nationalpark Donauauen östlich von Wien bekommt man selten Biber zu Gesicht. Und das, obwohl es hier mehr Exemplare gibt, als irgendwo sonst in Österreich. Trotzdem lohnt sich ein Spaziergang, denn der Biber hinterlässt Spuren. Sehr viele sogar. Kein anderes Tier krempelt seine Umwelt derart um wie der Biber. Und diese Spuren helfen uns, zu verstehen, was der Biber für die Artenvielfalt im Wald leistet.
Biber schaffen Totholz
Welchen Weg auch immer man durch den Nationalpark gewählt hat, früher oder später trifft man auf einen gefällten Baum. Ob hier ein Biber oder doch nur der Wind am Werk war, lässt sich schnell klären. Die Abdrücke der langen Biber-Schneidezähne im Holz sind unverkennbar. Mit ihnen schabt er die Rinde der Bäume ab, wie ein Schäler die Apfelhaut. Besonders Weichhölzer wie Weiden und Pappeln finden die Nager unwiderstehlich. Um an die geliebte Rinde und an die ein oder andere Knospe heranzukommen, müssen sie den Baum fällen. Denn Klettern ist keine Option. Biber sind an Land ungeschickt – und nebenbei echte Schwergewichte. Mit bis zu 30 Kilo sind nach dem südamerikanischen Wasserschwein die zweitschwersten Nagetiere der Welt.
Vielen Menschen ist der Biber suspekt. Er schade dem Wald, weil er gesunde Bäume fälle, so die landläufige Meinung. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ein gesunder Wald braucht Totholz. Ein genauer Blick auf einen toten Baumstamm genügt, um zu sehen, dass er alles andere als tot ist. Am Stamm wimmelt es vor Kleinstlebewesen. Auf, in und um gefällte Bäume leben Ameisen, Holzwespen, Pracht- und Hirschkäfer. Neben Tieren finden auch unzählige Flecht-Pilz- und Farnarten am Totholz ihr Zuhause.
Der Förster des Waldes
Der Biber schafft für sie alle Lebensräume, in dem er immer neues Totholz bereitstellt. Aber er tut dem Wald noch auf andere Weise einen Gefallen. Ein paar Schritte weiter, nahe dem Seitenarm, tun sich Lichtungen im Wald auf. Und auch hier hatte der Biber seine Finger im Spiel – oder besser geht seine Schneidezähne. Mit jedem Baum, den der Nager fällt, entstehen kleine Lichtungen im Wald. Dadurch schaffen es Sonnenstrahlen wieder direkt zum Waldboden. Das Ergebnis: prächtige Wildwiesen. Wer sich die Zeit nimmt, das wuselige Geschehen hier zu beobachten, kann eine Vielfalt an Wildbienen, Schmetterlingen und Faltern zählen.
Auch hier hat der Biber wieder kleine Lebensräume geschaffen, die der Wald zuvor nicht hatte. Außerdem ermöglichen die Lichtungen jungen Bäumen nachzuwachsen. So verjüngt der Biber den Wald. Und der Biber gibt Baumarten eine Chance, die unter den dunklen Baumkronen alter Bäume nie gewachsen wären.
Der Biber und seine Dämme
Der Biber ist fleißig. Aber er arbeitet durchaus mit Augenmaß. Das zeigt sich auch im Nationalpark Donauauen. An keinem der vielen Seitenarme findet man einen Biberdamm. Der Grund: Das Wasser ist von Natur aus tief genug für sie, um Schwimmen und Tauchen zu können. Die Arbeit, hier einen Damm anzulegen, macht sich keiner der 400 Biber.
Biberfamilien, die in kleinen Bächen und Flüssen leben, haben da mehr zu tun. In mühsamer Kleinstarbeit legen sie Dämme an und schaffen dahinter Bereiche, wo das Wasser höher steht und langsamer fließt – sogenannte Biberteiche. Diese Teiche sind einerseits ein wichtiger Hochwasserschutz. Andererseits sind Biberteiche wahre Biouniversitätswunder. Hier finden Tiere einen Lebensraum, die in fließenden Gewässern eigentlich nicht heimisch sind. Amphibien wie Frösche, Molche und Kröten genauso wie Libellen.
Baumkronen im Wasser
Biberteiche gibt es im Nationalpark nicht. Was man aber zahlreich in den Altarmen findet, sind tote Bäume im Wasser. Am liebsten fällt der Biber nämlich die Bäume im Uferbereich. Einerseits, weil er dann im Schutz des trüben Wassers speisen kann. Andererseits, weil das Grünzeug im Wasser länger frisch bleibt. Er nutzt den Seitenarm als Kühlschrank. Von dieser Praxis profitieren zahlreiche Lebewesen.
Eine Baumkrone, die im Wasser landet, ist vergleichbar mit einem Korallenriff im Meer. Die Äste schaffen geschützte Zonen im Wasser, wo es kaum Strömung gibt. Ein idealer Laichplatz und eine gute Versteckmöglichkeit, für alles und jeden mit Fressfeinden. Und die Äste, die aus dem Wasser schauen, sind sichere Ruheplätze für Eisvögel und Sumpfschildkröten.
Was Menschen und Biber gemeinsam haben
Der Biber verändert die Landschaft so, dass sie seinen Bedürfnissen gerecht wird. Das hat er mit den Menschen gemeinsam. Auch wir verändern Landschaften zu unseren Gunsten. Wir legen Wege an, graben Tunnel, stellen Bauwerke in die Landschaft und verändern den Lauf der Flüsse. All das macht auch der Biber.
Es gibt aber einen bedeutenden Unterschied: Der Biber verändert die Natur so, dass andere Arten mehr Platz zum Leben vorfinden. Wir Menschen verändern die Natur so, dass andere Arten immer weniger Platz haben. Wir können uns vom Biber also so einiges abschauen.
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