Wenn es um Urwälder geht, denken die meisten von uns an den Amazonas-Regenwald. Doch auch in Europa gibt es noch vom Menschen nahezu unberührte Natur. Rodungen, die Klimakrise und andere Faktoren lassen die Urwälder jedoch immer weiter schrumpfen. Das Waldschutzgesetz und das Renaturierungsgesetz der EU geben aber Hoffnung.
Statt wilden Wäldern und Artenvielfalt gibt es Städte, Straßen und Monokulturen. Europa ist jener Kontinent, der in den letzten Jahrhunderten vom Menschen am meisten verändert wurde – und das nicht nur zum Vorteil. Einst war Europa ein Kontinent der Urwälder. Fast 80 Prozent der Landfläche waren mit Wald bedeckt. Als der Mensch aber sesshaft wurde und sich immer mehr ausbreitete, änderte sich das schnell. Immer mehr Wälder wurden gerodet, um Platz für Straßen, Siedlungen und auch landwirtschaftliche Flächen zu machen. Heutzutage sind nur noch 40 Prozent Europas bewaldet – und nicht einmal mehr 0,2 Prozent des Kontinents ist mit Urwäldern bewachsen.
Urwälder sind Biodiversitäts-Hotspots
Den größten noch zusammenhängenden Urwald Europas bilden die Wälder der Karpaten. Sie erstrecken sich über eine Länge von etwa 1.500 Kilometern und durchziehen acht Länder in Zentral- und Osteuropa. Die Gesamtfläche des Gebirgszugs ist mehr als fünfmal größer als Belgien und beherbergt viele vom Aussterben bedrohte Tierarten wie Braunbären, Luchse, Bartgeier sowie Salamander. Auch ist es ein Paradies für Bäume, die dort mehrere Jahrhunderte alt werden können. Aus diesem Grund wird der Urwald auch als regelrechter Biodiversitäts-Hotspot bezeichnet, der für unser Ökosystem von entscheidender Bedeutung ist. Doch was genau macht den Urwald so wichtig?
Bedeutung der Urwälder für unser Ökosystem
Um das Gleichgewicht und die Gesundheit unseres gesamten Ökosystems zu bewahren, ist es wichtig, Europas letzte Urwälder zu schützen. Denn sie spielen für unser Klima und unsere Natur eine wichtige Rolle:
- Biodiversität: Urwälder bestehen aus vielen unterschiedlichen Nischen – von verschiedenen Bodenarten bis hin zu unterschiedlichen Höhenlagen und Lichtverhältnissen. Dadurch bieten sie auch vielen unterschiedlichen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum.
- Klimaschutz: Urwälder sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Sie nehmen während ihres langen Lebens viel CO₂ aus der Atmosphäre auf und speichern es als Kohlenstoff in ihren Stämmen. Je älter ein Baum, desto mehr Kohlenstoff nimmt er auf und entzieht es damit der Atmosphäre.
- Wasserspeicherung und -regulierung: Urwälder tragen zur Regulierung des Wasserhaushalts bei. Ihre dichten Baumkronen und Böden helfen, Niederschläge aufzufangen und das Wasser langsam abfließen zu lassen, wodurch das Risiko von Überschwemmungen und Bodenerosion verringert wird. Gleichzeitig speichern sie auch Wasser für trockene Perioden und erhalten so den regionalen Wasserkreislauf.
- Schutz vor Naturkatastrophen: Die Vielfalt von Pflanzen und Bäumen in Urwäldern verringert die negativen Folgen von Stürmen und Hochwasser. Robuste Böden und Wurzelsysteme verhindern Bodenerosion und Erdrutsche.
- Forschung und Bildung: Urwälder dienen als lebendige Laboratorien für die Erforschung ökologischer Prozesse und nachhaltiger Waldbewirtschaftung. Der Schutz ermöglicht zukünftigen Generationen wertvolles Wissen zu erlernen.
Illegale Holzrodungen im Urwald
Eine der größten Bedrohungen für unsere Wälder ist die illegale Rodung und der kommerzielle Holzeinschlag. Besonders stark davon betroffen sind die Wälder der Karpaten in Rumänien. Laut Greenpeace gehen dort stündlich mehr als fünf Fußballfelder Wald durch die Holzgewinnung verloren. Dabei macht die Holzmafia auch vor Naturschutzgebieten keinen Halt. Laut Interpol stammt bis zu 30 Prozent des weltweit gehandelten Holzes aus illegalen Quellen. Vieles davon landet auch am österreichischen Markt. Ohne Gegenmaßnahmen befürchtet Greenpeace, dass bis 2050 nahezu ein Fünftel der Karpatenwälder durch unkontrollierte Abholzung verschwinden könnten.
Multi versus Mono
Dort wo sich die Natur frei entfalten kann, dort ist es bunt, vielfältig und vor allem gesund. Denn auch Pflanzen stehen auf Multikulti. Leider werden seit vielen Jahrzehnten in ganz Europa gezielt Monokulturen in Form von Fichtenwäldern angesetzt. Das liegt vor allem daran, dass die Fichte schnell wächst, einen hohen Holzertrag liefert und vielseitig verwendbar ist, beispielsweise für Möbel und Bauholz. Allerdings ist die Fichte nicht optimal an wärmere Gebiete angepasst, da sie ursprünglich in höheren Lagen mit niedrigeren Temperaturen und längeren Wintern vorkommt. In tieferen Lagen, wo viele europäische Wälder liegen, führen Trockenheit und Hitze zu Problemen. Die flachen Wurzeln der Fichte trocknen schnell aus, was sie anfälliger für Windschäden, Trockenheit und Borkenkäferbefall macht. Die Klimaveränderungen verschärfen diese Probleme.
Monokulturen schaden dem Boden
Durch die Umwandlung natürlicher Wälder in Monokulturen wird der Boden verändert. Die Nadeln von Fichten beispielsweise können von Mikroorganismen im Boden nicht vollständig abgebaut werden – sie sind in unseren Breitengraden auf die Zersetzung von Blättern spezialisiert. Die Folge: Der Boden versauert und verdichtet sich zunehmend durch die Nadeln. Zusätzlich gibt es immer weniger Nährstoffe im Boden, was die Bäume schwächt und ihre Widerstandskraft gegen Trockenheit und Schädlinge senkt. Dadurch wird der bereits bestehenden Trockenstress der Bäume noch zusätzlich verschärft.
Hoffnungsträger für eine nachhaltige Zukunft
Mit dem neuen EU-Waldschutzgesetz will die EU unsere Wälder für die nächsten Generationen schützen. Der Entwurf sieht vor, dass Konzerne ihre Produkte in der EU nur verkaufen dürfen, wenn sie nachweisen können, dass diese nicht zur Waldzerstörung beigetragen haben – weder in tropischen noch in europäischen Wäldern. Damit will man den globalen Waldverlust reduzieren und den Schutz der Wälder vor illegalem Holzeinschlag und Entwaldung deutlich verbessern. Das geht nur mit den einzelnen Mitgliedsstaaten zusammen. Sie sind gefordert, das Waldschutzgesetz rasch zu realisieren und für strikte Kontrollen zu sorgen. Für Österreich bedeutet das zum Beispiel: Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft muss sicherstellen, dass die kontrollierenden Behörden ausreichende Kompetenzen, Personal und Budget erhalten. Nur so können sie unter anderem Kontrollen an der Grenze durchzuführen. Aber auch wir selbst stehen in der Verantwortung. Beispielsweise können wir beim Kauf von Produkten darauf achten, dass sie nicht aus Urwald- oder Tropenholz hergestellt sind.
Ein weiterer Hoffnungsträger ist das EU-Renaturierungsgesetz. Dieses Gesetz soll unter anderem dafür sorgen, dass trockengelegte Moore wieder vernässen, Wälder wieder aufgeforstet und Städte grüner werden. Außerdem soll bis 2030 rund ein Zehntel der landwirtschaftlichen Fläche so umgestaltet werden, dass sie bedrohten Tieren und Pflanzen wieder als Lebensraum zur Verfügung stehen.
Trotz der Bedrohungen, denen Europas Urwälder gegenüberstehen, gibt es Grund zur Hoffnung. Mit dem EU-Waldschutzgesetz und dem EU-Renaturierungsgesetz sind wichtige Schritte angedacht, um unsere Wälder zu schützen und für kommende Generationen zu bewahren sollen. Indem wir uns gemeinsam für den Schutz von Urwäldern einsetzen und bewusste Konsumentscheidungen treffen, können wir Europas Wälder bewahren.