Unser Ernährungssystem ist für rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das ist mehr als der gesamte Verkehrssektor. Klingt extrem, kann aber zum Handeln anregen. Denn wenn wir das Klima beim Essen mitbedenken, können wir sehr viel bewegen.
Ein Blick auf unser aktuelles Ernährungssystem zeigt, es ist Zeit zu handeln. So warnen Wissenschaftler:innen des science Magazins seit Jahren, dass selbst ein sofortiger Ausstieg aus der Gas- und Ölindustrie nicht ausreicht, die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens zu erlangen, wenn wir unser Ernährungssystem nicht verändern. Und das heißt, vor allem weniger Fleisch sowie lokal und saisonal zu essen und biologisch anzubauen. Darüber hinaus benötigt auch unsere globale Lebensmittelkette ein nachhaltiges Update. Welche Probleme genau dahinter stecken und welche Veränderungen es braucht, zeigen wir in diesem Beitrag.
Auswirkungen unseres Ernährungsystems
Ein Drittel der gesamten Umweltbelastungen der Welt ist auf unsere Ernährung zurückzuführen, das heißt auf Anbau, Produktion, Transport und Abfall. Das meiste davon verursacht unser hoher Fleischkonsum. Alleine für die Tierhaltung werden weltweit 70 Prozent der Agrarflächen und 70 Prozent der Süßwasserressourcen beansprucht. 80 Prozent der ernährungsbezogenen Treibhausgas-Emissionen sind zudem auch auf Fleisch und Milchprodukte zurückzuführen. Hinzu kommen die enormen Transportwege, die für den Import und Export der Nutztiere und Waren notwendig sind.
Auch bei uns in Österreich führt die Fleischproduktion zu großen Umweltbelastungen. Denn viele heimische Bäuer:innen beziehen das Soja, das sie für ihr Tierfutter benötigen, aus ärmeren Drittländern und aus Regenwaldgebieten. Österreich ist zwar das fünftgrößte Sojaanbauland in der EU, die dabei erwirtschaftete Menge reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um den Hunger der heimischen Nutztiere zu stillen. So wie Österreich ergeht es auch vielen andere Industriestaaten, weshalb Soja billig aus dem Ausland zugekauft wird. Das hat dazu geführt, dass der weltweite Sojaanbau eine Fläche einnimmt, die dreizehnmal so groß ist wie Österreich. Die Folge: Durch die große Nachfrage an Soja und Co werden große Regenwaldgebietet gerodet um sie für Landwirtschaft nutzbar zu machen. Dadurch gehen jährlich riesige Gebiete an wertvoller Natur und waldreichen Savannen für immer verloren.
Österreichs Fleischhunger
Ein weiteres Problem ist, dass Fleisch hierzulande viel zu oft unter seinem Wert verkauft wird. Ein Grund dafür ist, dass wir Österreicher:innen wahre Fleischtiger sind. Im Schnitt essen wir 65 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Europaweit liegen wir damit auf Platz drei, nach Luxemburg und Spanien. Laut Greenpeace produzieren wir viel mehr Fleisch, als wir essen können oder wollen. Einen großen Teil davon exportieren wir deshalb ins Ausland. Teilstücke wie beispielsweise die Ohren oder der Kopf vom Schwein finden in Österreich kaum Käufer:innen und werden daher in Länder wie China exportiert. Umgekehrt müssen wir unsere traditionellen Lieblingsteile wie zum Beispiel Filet aus anderen Ländern importieren, um die Nachfrage decken zu können. Deshalb kaufen viele Supermärkte Billigfleisch aus dem Ausland. Das bedeutet für unsere heimischen Landwirt:innen, dass auch sie ihre Preise senken und billig produzieren müssen. Die Folge: Weniger Mittel für artgerechte Tierhaltung und biologischen Anbau. Denn das ist oftmals teurer und muss dann auch teurer verkauft werden. Laut Sarah Wiener, EU-Abgeordnete der Grünen führt diese Art des Wirtschaftens nur dazu, dass Österreich seine eigene Ernährungssouveränität untergräbt. Denn dadurch, dass wir 80 Prozent aller Agrarflächen in Österreich für die Fleischproduktion verwendet werden, müssen wir viel Obst und Gemüse aus anderen Ländern zukaufen. Ein Teufelskreis.
Welche Veränderung braucht es?
Um uns so zu ernähren und zu wirtschaften, dass darunter weder unser Lebensstil noch unsere Umwelt leidet, braucht es weitreichende Veränderungen. Und das politisch sowie gesellschaftlich. Denn auch wenn Politik und Wirtschaft die Hebel in der Hand haben. Was und wie produziert, geliefert und verkauft wird, können wir mit unserem Kaufverhalten beeinflussen.
Was können wir tun?
- Bewusster Konsum: Umweltschutz beginnt im Kleinen. Gerade der tagtägliche Einkauf ist eine gute Möglichkeit, mit wenig Aufwand etwas für die Umwelt zu tun. Das beginnt damit, regional und saisonal einzukaufen. Das heißt, darauf zu schauen, wann welches Obst und Gemüse Saison hat und aus der Region kommt. Auch bei anderen Produkten wie zum Beispiel Fleisch- oder Backwaren ist es wichtig, auf Inhaltsstoffe, Herstellung und Herkunft zu achten. Gütesiegel oder Bio-Zertifikate können bei der Kaufentscheidung helfen.
- Weniger Fleisch, mehr Gemüse: Um das Klima und die Umwelt zu schonen, müssen wir unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren. Denn die Herstellung tierischer Produkte wie Fleisch, Wurst, Milch, Käse oder Eier, verbraucht viel mehr Energie als das meiste Obst und Gemüse. Würden wir einmal in der Woche auf Fleisch verzichten, würden wir laut dem WWF rund 600.000 Hektar weniger Anbaufläche benötigen und rund neun Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Dies entspricht einer 3.600 kilometerlangen Autofahrt pro Jahr für eine vierköpfige Familie. Wenn wir Fleisch essen, dann sollten wir zu regionalem Bio-Fleisch greifen. Damit tun wir nicht nur den lokalen Landwirt:innen etwas Gutes, sondern auch den Tieren, die in Massentierhaltung häufig unter schrecklichen Bedingungen gehalten werden.
- Weniger wegschmeißen: Wenn es um Lebensmittelverschwendung geht, liegt Österreich ziemlich weit vorne: Jedes Jahr entsteht ein Müllberg von etwa einer Million Tonnen wertvoller Nahrungsmittel. Die Hälfte davon in den Mistkübeln zu Hause. Das liegt vor allem daran, dass wir zu viel kaufen, unsere Produkte falsch lagern, mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum nichts anfangen können oder uns die Ideen fehlen, mit Essensresten neue Gerichte zuzubereiten. In unserem Beitrag Verwenden statt Verschwenden findet ihr mehr zum Thema.
- Aufklärung: Damit wir nachhaltiger leben, müssen wir auch verstehen, warum ein nachhaltiger Konsum wichtig ist. Dieses Wissen muss im frühen Kindesalter bereits vermittelt werden. Beispielsweise durch Kochkurse und Lebensmittelaufklärung in Kindergärten und Schulen.
Was kann die Politik tun?
Die Politik muss die Weichen stellen, wenn es darum geht, die Lebensmittelproduktion ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiger zu machen. Deshalb ist es enorm wichtig, dass die Politik Anreize und verbindliche Vorgaben für Landwirt:innen und Unternehmen schafft. Damit diese von konventionellen Anbau- und Produktionsmethoden auf mehr Nachhaltigkeit und Bio umsteigen. Das kann geschehen durch Förderungen, Maßnahmen und Strategien wie zum Beispiel:
- Green Deal: Der Green Deal ist ein politisches Konzept der Europäischen Union, das die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 anstrebt. Ein zentraler Bestandteil des Deals ist Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft europaweit nachhaltiger zu machen, dadurch Umweltbelastungen zu reduziert und die Biodiversität zu schützen. Farm-to-Fork heißt eine dieser Strategien des Green Deals. Diese betrachtet erstmalig das globale Lebensmittelsystem und seine Stationen als Ganzes. Mehr Informationen zu Farm-to-Fork findet ihr weiter unten im Beitrag.
- EU- Lieferkettengesetz: Im Dezember 2022 haben sich die EU-Länder auf ein europaweites Lieferkettengesetz geeinigt. Dieses soll Unternehmen künftig dazu verpflichten, während ihrer gesamten Lieferkette auf Menschenrechte sowie Umweltstandards zu achten und diese einzuhalten. Das betrifft insbesondere auch Unternehmen, die Lebensmittel produzieren, verarbeiten, vertreiben und verkaufen. Das soll dazu führen, dass Betriebe beispielsweise aus Angst vor Reputationsschäden ihre Praktiken und Prozesse verbessern sowie festgelegte, europaweite Standards eingehalten werden.
- Österreichweit: Die oben genannten Punkte zählen zu den wichtigsten europaweiten Strategien für mehr nahhaltige Lebensmittel. Daneben sind Projekte und Konzepte in den einzelnen Ländern genauso wichtig, um auf nationale Gegebenheiten eingehen zu können.
- In Österreich gibt es beispielsweise die Agrar- und Klima- Maßnahme M10. Das ist eine Förderung des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und den Bundesländern Österreichs. Die Maßnahme umfasst 19 Vorhaben, durch deren Umsetzung die lokale Landwirtschaft nachhaltiger werden, Naturressourcen und die heimische, artenreiche Kulturlandschaft geschützt werden soll. Gefördert werden zum Beispiel Landwirt:innen, die seltene Kulturpflanzen wie altes Weizen anbauen oder gefährdete Nutztierrassen wie das Alpine Steinschaf züchten. Ebenso wird der Verzicht von chemischen Wachstumsregulatoren bei Getreide gefördert oder die Verwendung von Heu anstatt von Siloballen.
- Viele von uns essen täglich auswärts, das heißt im Kindergarten, in der Mensa, in der Kantine oder über Catering. Woher das Essen stammt, wussten bis dato nur die wenigsten. Mit der Initiative Gut zu Wissen der Landwirtschaftskammer Österreich soll sich das nun ändern. Seit Anfang 2023 sind Gemeinschaftsverpflegungsbetriebe dazu verpflichtet, transparent über Herkunft von Fleisch, Milchprodukten sowie Eiern und die Haltungsformen der Hühner Auskunft zu geben. In der Gastronomie wird es erstmals eine freiwillige Kennzeichnung geben.
- Mit der Aktion Lebensmittel sind kostbar!, sagt das Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus vermeidbaren Lebensmittelabfällen den Kampf an. Bis 2030 sollen vermeidbare Abfälle um die Hälfte reduzieren werden. Dafür müssen verschieden Weichen gestellt werden. Beispielsweise sollen noch genießbare, aber abgelaufene Lebensmittel nicht weggeworfen, sondern zu Sozialmärkten gebracht werden können. Auch sollen noch gute Lebensmittel weiterverarbeitet werden: Beispielsweise aus älteren Äpfeln wird Apfelsaft oder Tierfutter. Nicht mehr verzehrbare Lebensmittel sollen außerdem mehr in Biogasanlage oder Kompostanlage verwertet werden.
- Mehr Aufklärung und Information! Konsument:innen können mit ihrem Konsum- und Verbraucherverhalten einen wesentlichen Teil zum Umweltschutz beitragen. Doch oft fehlt es an Hintergrundwissen. Das Webportal bewusst kaufen, eine Initiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, gibt ausführliche Informationen zu bewusstem und nachhaltigem Konsum. So werden zum Beispiel gängige Labels und Gütezeichen übersichtlich erklärt und verschiedene Einkaufsratgeber angeboten.
Kurz gesagt, braucht es sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik und Wirtschaft einen Wandel. Wir brauchen ein globales Umdenken, vor allem was unsere internationale Lebensmittelkette angeht. Weg von billiger Massenproduktion hin zu mehr nachhaltiger und ressourcenschonender Lebensmittelproduktion. Nur so können wir den nächsten Generationen eine vielfältige und gesunde Ernährung in einer intakten Umwelt ermöglichen. Ein Beispiel, wie eine nachhaltige Lebensmittelkette in Europa aussehen kann, ist die weiter oben bereits angesprochene Farm-to-Fork-Strategie.
Vom Feld auf den Teller
Die Strategie Farm-to-Fork ist ein umfassender Zehnjahresplan mit insgesamt 27 Maßnahmen, die von jedem EU-Mitgliedsstaat umgesetzt werden müssen. Damit ist erstmals eine Strategie entworfen worden, die alle Stationen der Lebensmittelkette gemeinsam und voneinander abhängig betrachtet. Das heißt, alle Stationen der Lebensmittelkette – vom Samenkorn über dessen Anbau bis zum Kochtopf – werden überprüft, überarbeitet und nachhaltiger gemacht. So soll langfristig ein Ernährungssystem geschaffen werden, das gesund und sozial gerecht ist und gleichzeitig das Klima und die Umwelt schützt.
„Bis dato wurden die Schritte der Lebensmittelkette nur einzeln betrachtet. „
Sarah Wiener, Starköchin, Umweltschützerin und grüne EU-Abgeordnete hat bei den Verhandlungen der Strategie mitgearbeitet. Sie sieht in ihr einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung: „Bis dato wurden die Schritte der Lebensmittelkette nur einzeln betrachtet. Doch genau der Blick auf die Ganzheitlichkeit macht diese Strategie so besonders und wirkungsvoll“, erklärt sie. Die Strategie beinhaltet verschiedene Ziele wie zum Beispiel:
- Einen gesetzlichen Rahmen schaffen: Bis 2023 soll ein europaweiter gesetzlicher Rahmen für eine nachhaltige Lebensmittelkette festgelegt werden. Gleichzeitig will die EU-Kommission einen Plan aufstellen, der die Lebensmittelversorgung in Europa sicherstellt.
- Weniger Pestizide, dafür mehr Biobauern: Bis 2030 soll der Einsatz von Pestiziden um 50 Prozent und der Einsatz von energieintensiv hergestellten, teuren Kunstdüngern um 20 Prozent reduziert werden. Der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen soll bis 2030 hingegen um 25 Prozent steigen.
- Kreislaufwirtschaft und weniger Einwegverpackungen: Dazu gehört, dass die Lebensmittelindustrie ihre Unternehmensstrategie nachhaltiger gestaltet und beispielsweise Billigfleisch künftig nicht groß anpreist. Zudem will die EU-Kommission die Verwendung von wiederverwertbaren Materialien fördern.
- Mehr Salat und weniger Schnitzel: Die Europäer:innen essen zu viel Fleisch. Mittels Informationen sollen Konsument:innen aufgeklärt werden. Einheitliche Etiketten auf allen Lebensmitteln sollen es zudem leichter machen, gesunde Entscheidung zu treffen.
- Weniger Biomüll: 88 Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich weggeworfen. Das ist viel zu viel. Deshalb plant die EU-Kommission, den Anteil der weggeworfenen Lebensmittel deutlich zu verringern.
Die Strategie soll ein nachhaltigeres, vernetztes EU-Lebensmittelsystem schaffen, das zum Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt Europas beiträgt, Lebensmittelverschwendung minimiert und Ressourcenknappheit verhindert. „Wenn all diese Ziele konsequent umgesetzt werden, wird sich sehr viel verändern. Bis jetzt sind das allerdings nur hehre Ziele – eine Strategie, die in Gesetze gegossen werden muss, damit sich die Mitgliedsstaaten dranhalten“, erklärt Sarah Wiener.
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