Die wichtigsten Antworten zum EU-Renaturierungsgesetz

„Dieses Gesetz ist wichtig für unser aller Überleben“, sagt der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz über das EU-Renaturierungsgesetz. Nach langer Diskussion und viel Protest wurde Mitte Februar 2024 die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur vom EU-Parlament angenommen. Bei der finalen Absegnung im März zogen einige EU-Staaten ihre Zustimmung jedoch erneut zurück, auch Österreich wollte sich enthalten. Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Aber warum der ganze Trubel? Und worüber wird eigentlich genau abgestimmt? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Worüber wurde im EU-Parlament abgestimmt?

Um nichts weniger als das ehrgeizigste Naturschutzgesetz der Europäischen Union seit Jahrzehnten. Kurz gesagt: Beim Gesetz zu Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) geht es darum, zerstörte Natur auf EU-Gebiet wiederherzustellen.

Das Gesetz wurde von der EU-Kommission ausgearbeitet und Mitte Juli dem EU-Parlament zu einer ersten Abstimmung vorgelegt. 336 EU-Abgeordnete haben für den Vorschlag gestimmt, 300 dagegen und 13 haben sich ihrer Stimme enthalten. Die Zustimmung des Parlaments war allerdings nur ein Schritt von vielen.

Die Pläne der Kommission sahen jedenfalls vor, dass es bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU sogenannte Wiederherstellungsmaßnahmen geben soll. Das heißt zum Beispiel: Wir forsten Wälder wieder auf und begrünen unsere Städte. Eigentlich wäre im Gesetzesentwurf auch die Renaturierung landwirtschaftlicher Flächen und die Wiedervernässung von Mooren vorgesehen gewesen. Diese Passagen wurden leider auf Druck konservativer Abgeordneter gestrichen.

Warum pocht die Europäische Union auf die Wiederherstellung zerstörter Natur?

Mit dem Green Deal wurde unter der konservativen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Maßnahmenpaket geschnürt, das Europa bis 2050 klimaneutral machen soll. Das EU-Renaturierungsgesetz ist ein wichtiger Teil des Green Deals. Ohne intakte Natur können wir weder die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise verhindern, noch das Artensterben aufhalten. Es ist also unerlässlich, neue Naturschutzgesetze zu erlassen, wenn wir unsere eigenen Lebensgrundlagen erhalten wollen.

Was heißt Renaturierung?

In den letzten 100 Jahren haben wir Menschen viel intakte Natur zerstört. Zum Beispiel, um Land für den Anbau von Lebensmitteln zu gewinnen, um Rohstoffe aus dem Boden zu fördern oder an Holz zu kommen. Renaturierung bedeutet, dass wir die natürlichen Lebensräume, die einst an diesen Stellen existierten, wiederherstellen. Wir reparieren also den Schaden, den wir selbst verursacht haben. Aus einem öden Feld kann wieder ein Wald, ein Moor oder ein Flussarm entstehen – wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Renaturierung bekämpft auch die Klimakrise, weil etwa Bäume und Moore CO₂ speichern. Intakte Natur verbessert zudem die Qualität von Wasser, Luft und Boden und mildert Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Dürren. Renaturierung ist also kein selbstloser Akt, sondern etwas, von dem wir Menschen stark profitieren.

Warum wurde über das Gesetz so viel gestritten?

Im Februar 2024 wurde das Gesetz nun bei der finalen Abstimmung im EU-Parlament akzeptiert: 329 EU-Abgeordnete waren dafür, 275 dagegen und 24 haben sich enthalten. Dagegen haben vor allem Vertreter:innen aus der Landwirtschaft sowie Rechte und Konservative protestiert. Grüne, Sozialdemokrat:innen und Teile der Liberalen und Konservativen waren dafür. Außer Othmar Karas stimmte die gesamte anwesende österreichische ÖVP dagegen und stellte sich erneut gegen wichtige Vorhaben beim Klimaschutz.

Der Abstimmung vorausgegangen ist ein heftiger Schlagabtausch. Vor allem die Europäische Volkspartei, zu der auch die ÖVP gehört, hat sich klar gegen das EU-Renaturierungsgesetz positioniert. Sie vertritt damit die Interessen der Bäuer:innen, die das Gesetz ablehnen. Die EVP spielt mit den Ängsten der Bürger:innen, indem sie davor warnt, dass dieses Gesetz die Versorgung mit Lebensmitteln gefährden würde. Auch Teile der Liberalen, der rechtsnationalen Idendity and Democracy Group, zu der die FPÖ gehört, und Konservative sprachen sich gegen das Gesetz aus.

Die Folge: Das Gesetz wurde abgeschwächt. Unter anderem wurde aus dem Gesetzesentwurf gestrichen, dass landwirtschaftliche Flächen renaturiert und Moore wieder vernässt werden. Für Natur- und Klimaschutz ist das keine gute Nachricht, denn für halbe Sachen fehlt uns die Zeit.

Dass zumindest ein abgeschwächter Entwurf vom EU-Parlament angenommen wurde, ist auch der Zivilgesellschaft zu verdanken. Demonstrant:innen, Wissenschafter:innen und sogar 60 der größten europäischen Unternehmen haben das Gesetz eingefordert und so Druck auf die Politik aufgebaut.

Das EU-Parlament hat sich dafür positioniert. Aber wie geht es jetzt weiter?

Der Gesetzesentwurf wurde im Trilogverfahren zwischen Parlament, Rat und Kommission zwar abgeschwächt, wäre aber dennoch ein wichtiger Meilenstein für den Naturschutz.

Nach der positiven Abstimmung im EU-Parlament muss vor dem Inkrafttreten noch der Rat der Mitgliedsstaaten das Gesetz bestätigen. Dabei handelt es sich eigentlich um eine reine Formalität. Die finale Absegnung durch den Rat der EU-Umweltminister:innen sollte Ende März 2024 stattfinden, wurde nun jedoch auf unbestimmte Zeit vertagt, da man doch keine qualifizierte Mehrheit dafür finde. Die Akzeptanz unter den EU-Staaten bröckelte erneut, nachdem unter anderem die Niederlande und Ungarn ihre Zustimmung zurückgezogen hatten. Auch Österreich wolle sich enthalten.

Was hat dieses Gesetz mit mir zu tun?

Regnet es zu wenig, vertrocknet die Ernte auf den Feldern. Regnet es zu viel, stehen Keller unter Wasser oder Muren gehen ab. Indem wir immer mehr Boden verbauen und versiegeln oder den natürlichen Lauf von Flüssen verändern, nehmen wir der Natur ihren Platz weg und Wetterextreme treten immer häufiger auf. Die Maßnahmen im EU-Renaturierungsgesetz schützen uns Menschen vor den möglichen Folgen. Wir brauchen eine intakte Natur, denn wenn die Kipppunkte kippen und immer mehr Arten aussterben, kann uns auch die Technologie nicht mehr helfen. Schützen wir also die Natur, schützen wir uns selbst.

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