Sie sind Österreichs seltenstes Ökosystem: die Salzlacken des Seewinkels. Und sie sind gefährdet. In den letzten 100 Jahren sind 100 Lacken für immer verschwunden. Ein großes Naturschutzprojekt will die verbliebenen Lacken nun retten.
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Seit 40 Jahren ist Bernhard Kohler im Seewinkel unterwegs. In dieser Zeit hat er 15 Salzlacken sterben sehen. 15 Lacken in einem halben Menschenleben. Und wenn eine Lacke erst einmal weg ist, kommt sie nie wieder. Und das, obwohl diese Lacken 20.000 Jahre alt sind. „Vor etwa 100 Jahren hatten wir noch 140 Lacken. Mit dem Beginn der Entwässerungsmaßnahmen in den 1910er und 1920er Jahren hat ein rasches Lackensterben eingesetzt und es sind mehr als 100 Lacken verloren gegangen“, lässt WWF-Experte und Biologe Bernhard Kohler wissen. Hinnehmen will er das nicht. Er kämpft für eine Zukunft mit Salzlacken.
Die Salzlacken des Seewinkels sind ein seltener und ungewöhnlicher Lebensraum. Es sind kleine, salzhaltige Seen, die weder Zu- noch Abflüsse haben. Sie sind auf Grundwasser und Regen angewiesen. Je nach Jahreszeit sind sie entweder mit Wasser gefüllt oder trocken. In Europa gibt es sie an nur ganz wenigen Orten. In Österreich, Ungarn und Serbien. Sie sind das Zuhause einer besonderen Tier- und Pflanzenwelt und daher von unschätzbarem Wert für die Artenvielfalt.
Kohler nimmt uns mit zur Birnbaumlacke bei Podersdorf. Der Weg dorthin ist glitschig. Aber nicht, weil der Boden aufgrund des Regens der letzten Tage feucht ist. Es sind auch keine Pferdeäpfel, wie man vielleicht glauben mag, wenn man schnell hinschaut. Es sind Algen, die sich am Boden rund um die Lacke ausbreiten. Dazwischen schaut die eine oder andere Salzaster hervor. Nur wenige haben noch fliederfarbene Blüten, die meisten sind bereits verblüht.
12 Millionen Euro sollen die Salzlacken retten
Seit September läuft ein großes Naturschutzprojekt, an dem auch Kohler beteiligt ist. Insgesamt zwölf Millionen Euro von EU, Bund und Land Burgenland stehen zur Verfügung, um das Wasser in den Lacken zu halten und den Lebensraum zu schützen. Unter anderem werden dafür Entwässerungsgräben zurückgestaut, damit das Wasser nicht abfließen kann. Aber es geht nicht nur darum. Das Ganze hat auch eine gesellschaftliche Dimension. Die Entwässerungsgräben wurden gebaut, um Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. In ehemaligen Überschwemmungsgebieten stehen heute Einfamilienhäuser. Staut man nun einfach Wasser zurück, sind Äcker nicht mehr nutzbar und die Keller der Häuser stehen unter Wasser. Für die Wohnsiedlungen werden sich technische Lösungen finden lassen. Für die Landwirtschaft aber braucht es neue Visionen.
Denn die Landwirt:innen werden nicht nur Äcker verlieren, sie werden zum Teil auch andere Kulturen anbauen müssen. Welche, darüber wird im Zuge des Naturschutzprojekts diskutiert, gibt Kohler Einblicke in die Projektarbeit. Kartoffel, Mais und Soja werden wahrscheinlich keine Zukunft im Seewinkel haben, sie verbrauchen zu viel Wasser. Durch die Klimakrise regnet es weniger und die Landwirt:innen müssen ihre Pflanzen bewässern. Das senkt den Grundwasserspiegel, der allerdings entscheidend für die Salzlacken ist. Er muss hoch sein, damit sie funktionieren.
Grundwasserspiegel ist entscheidend
Das Salz in den Salzlacken kommt aus dem Grundwasser. Es muss bis an die Oberfläche heranreichen, damit es verdunsten und sich der Boden mit Salz anreichern kann. Es gibt Lacken, die das ganze Jahr über Wasser führen und es gibt solche, die im Sommer austrocknen. Letzteres passiert dann, wenn mehr Wasser verdunstet, als durch Regen und Grundwasser nachkommt. Der Grundwasserspiegel darf nicht unter die Lackensohle sinken, denn sonst verlandet die Lacke. Genau die Gefahr besteht aber, wenn das Wasser weiter aus dem Gebiet abgeleitet und zu viel davon verwendet wird, um Felder zu bewässern.
Der Grundwasserspiegel entscheidet also darüber, ob eine Salzlacke lebt oder stirbt. „Das heißt, man muss die Faktoren ausschalten, die zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels führen“, erklärt WWF-Experte Kohler. In kleinerem Rahmen wurden in der Vergangenheit bereits Entwässerungsgräben zurückgestaut. Dieses Renaturierungsprojekt ist mit einer niederschlagsreichen Phase zusammengefallen. Kohler blickt zufrieden auf diese Projekte zurück. Die Wirkung war positiv, der Salztransport konnte wieder aktiviert werden.
Wenn wir die Lacken des Seewinkels schützen, schützen wir auch ihre Bewohner. Zum Beispiel den Feenkrebs, ein recht mysteriöser Zeitgenosse. Damit diese Krebse aus ihren Eiern schlüpfen, muss das Wasser gefrieren. So weit, so gut. Wenn es aber nicht kalt genug ist, dann warten die Eier bis die Bedingungen eben passen. So überstehen sie auch Trockenphasen. Sie sind nicht tot, aber auch nicht lebendig. So einzigartig Feenkrebse sind, für Vögel sind sie einfach Futter. Der Säbelschnäbler beispielsweise ernährt sich von ihnen.
Ausgetrocknete Salzlacken kommen nicht mehr zurück
Ist eine Salzlacke erst einmal verschwunden, kommt sie nie wieder zurück. Bis zu 20.000 Jahre haben sie das Landschaftsbild des Seewinkels geprägt, innerhalb von 100 Jahren sind 80 Prozent der Lacken verschwunden. Dass die noch verbliebenen Lacken geschützt werden müssen, spricht für sich. Aber es ist auch für uns Menschen von enormer Bedeutung, dass die Salzlacken am Leben erhalten werden. Einerseits, weil der Seewinkel vom Tourismus lebt. Menschen kommen, um Vögel zu beobachten und die Natur zu entdecken. Wenn ein wesentlicher Teil dieser Natur verloren geht, verändert das die Landschaft, die Vögel kommen nicht mehr und die Tourist:innen bleiben auch aus.
Die Salzlacken sind aber auch ein Wasserspeicher. Prognosen zeigen, dass es im Osten Österreichs künftig längere Trockenphasen geben könnte, in denen es nicht regnet. „Es wäre jetzt sehr unklug, so weiterzumachen wie bisher und, wenn viel Wasser vom Himmel kommt, das Wasser ganz schnell abzuleiten. Das wäre sehr schlecht. Wir müssen auf eine Wasserbewirtschaftung umstellen, wie sie im Mittelmeergebiet üblich ist“, meint Kohler. Das bedeutet: Wenn das Wasser vom Himmel kommt, muss es in der Landschaft gespeichert werden, um in Trockenphasen darauf zurückgreifen zu können. Die Wasserwirtschaft muss also radikal umgestellt werden. Und das heißt auch, Feuchtgebiete zu erhalten und wiederherzustellen. Im Seewinkel lässt sich das in den nächsten Jahren beobachten. „Wenn es uns gelingt, die Wasserentnahmen im Projektgebiet so weit zu reduzieren, dass der Grundwasserspiegel wieder ansteigen kann, dann haben wir gewonnen“, ist sich Kohler sicher. Er will kämpfen. Bis zum Schluss.