Die ersten Bäume sind gefallen. Dass es im Zuge der Umbauarbeiten am Bahnhof Langenlois nicht mehr werden, darum kümmert sich aktuell die Bürgerinitiative „Schatten statt Hitze!“. Wir waren vor Ort.
Langenlois, eine kleine Gemeinde im Herzen Niederösterreichs, bekannt vor allem für ihre Schaugärten. Darunter die Kittenberger Erlebnisgärten. Mit über 50 Themengärten ist er der größte Schaugarten Österreichs. Auch das Bahnhofsviertel hat lange Zeit zu den Vorzeigeprojekten der Gemeinde gezählt. Viele Jahre ist das Gelände von der ÖBB verpachtet worden. Dadurch ist ein prächtiger Schrebergarten neben dem anderen entstanden. Jeder für sich eine kleine grüne Oase inmitten der Stadtgemeinde. Besonders bemerkenswert sind die zahlreichen alten Obstbäume, darunter Marillen-, Zwetschken- und Apfelbäume, einige von ihnen bereits mehrere Jahrzehnte alt.
Als wir am Bahnhof Langenlois ankommen, ist von den einstigen grünen Oasen kaum noch etwas übrig. Statt Bäumen, Kräuter- und Gemüsebeeten sehen wir jetzt Baggergruben, abgerissene Hütten und Baumaterial. Seit September laufen hier Umbauarbeiten auf Hochtouren. Auf der Baustelle treffen wir Marion und Max. Sie sind Mitbegründer:innen der Bürgerinitiative „Schatten statt Hitze!“. Marion ist zudem ehemalige Schrebergarten-Pächterin. Wir haben mit ihnen über ihre Bürgerinitiative gesprochen und den Wunsch nach einem klimafitten Bahnhofsviertel.
Der Wunsch nach Mitbestimmung
David gegen Goliath – so könnte man die aktuelle Debatte um den Ausbau des Bahnhofsviertels in Langenlois wohl am besten beschreiben. Für den Ausbau der Kamptalbahn plant die ÖBB den Bahnhof umzugestalten und barrierefrei zu machen. So weit, so gut. Jedoch soll dabei der gesamte grüne Bahnhofsstreifen samt Schrebergärten, Bäume und Sträucher entfernt werden. Zum Missfallen vieler Langenloiser:innen. Darum haben sie die Bürgerinitiative „Schatten statt Hitze!“ gegründet. Sie fordern Transparenz, Mitsprache und den größtmöglichen Erhalt des Baumbestandes.
Grün erhalten und integrieren
Viel Zeit, sich auf die Umbauarbeiten einzustellen, hat Gartenpächterin Marion nicht gehabt, erzählt sie uns. „Anfang des Jahres haben alle sechs Pächter:innen ein Schreiben von der ÖBB erhalten, dass der Garten bis Ende August geräumt werden muss.“ Was genau hier entstehen soll, wurde trotz mehrfacher Nachfrage bei der Gemeinde und der ÖBB, nicht mitgeteilt. „Es war ein Gefühl der Machtlosigkeit.“ Um endlich gehört zu werden, haben die Anwohner:innen eine Petition gestartet. Denn viele Fragen waren bis dato offen: Wie erfolgt der Bahnhofsumbau? Wie steht es um die Lärmbelastung? Gibt es die Möglichkeit, das Areal mitzugestalten? Und vor allem: Muss mit den Gärten auch der gesamte Baumbestand weichen?
„Wir haben die Chance, in Langenlois einen Bahnhof der Zukunft zu gestalten.“
Bei einem Rundgang durch die ehemaligen Schrebergärten zeigen uns Max und Marion, wie sie sich ihr grünes Bahnhofsviertel vorstellen. „Statt den Grünstreifen abzureisen und zuzubetonieren, wünschen wir uns, dass aus den ehemaligen sechs privaten Schrebergärten ein Park am Bahnhof für die Öffentlichkeit wird“, sagt Max. Mit ausreichender Bepflanzung, Wasserfontänen, Ruheplätzen, durchlässigen Oberflächenbefestigungen für Parkplätze, Radwege und Gastronomiemöglichkeiten. Die Initiative möchte zudem das Bahnhofsviertel als grünes Grätzel in die „Grüne Achse“ Langenlois integrieren. Die Grüne Achse ist eine durchgehende, verkehrsberuhigte Strecke. Sie verläuft durch das gesamte Stadtgebiet.
Ein besonderes Anliegen ist ihnen, dass die vorhandenen Bäume, Sträucher und Grünflächen bewahrt und in die Planung integriert werden. „Gerade in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens sollte Umweltschutz oberste Priorität haben. Wir haben die Chance, in Langenlois einen Bahnhof der Zukunft zu gestalten. Der den Anforderungen unserer Zeit entspricht und Pionier-Charakter hat. Was wir dazu brauchen, ist ein transparenter und ehrlicher Austausch“, betont Max.
Offene Gespräche zeigen erste Ergebnisse
Erreicht werden soll dies durch offene und nachhaltige Gespräche zwischen der ÖBB, der Gemeinde und der lokalen Bevölkerung. Die erste Möglichkeit dazu hat sich Anfang August ergeben. Denn die Petition ist bei den Anrainer:innen gut angekommen. Innerhalb von drei Monaten haben über 500 Personen unterzeichnet. Dadurch ist es zu einem ersten Gespräch mit Vertreter:innen der ÖBB und dem Langenloiser Bürgermeister Harald Leopold gekommen.
„Beim ersten Gespräch zeigten sich die Vertreter:innen der ÖBB sowie auch der Bürgermeister offen für Nachhaltigkeit und Grünraumgestaltung. Wir haben aber gemerkt, dass bei der Planung in erster Linie noch immer technische Parameter und erst dann auch ökologische und soziale herangezogen werden“, so Marion. Ein zentrales Anliegen der ÖBB ist beispielsweise die Sicherheit ihrer Züge. Die neuen Gleise befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Bäumen. Das kann potenziell zu Unfällen führen. Beispielsweise durch herabfallende Äste oder die Notwendigkeit von vermehrten Wartungsarbeiten. Darüber hinaus ist die Errichtung eines Regenwasser-Versickerungsbeckens erforderlich. Deshalb hat die ÖBB auch beabsichtigt, die Bäume zu fällen. „Letztendlich konnten wir eine mündliche Zusage für den Erhalt der Baum- und Strauchreihe in den Schrebergärten aushandeln. Das war natürlich ein erster großer Erfolg für uns“, sagt Marion.
Kampf um jeden Baum
Als Anfang September die ersten Bauarbeiten begonnen haben, schien die ursprüngliche Zusage in Vergessenheit geraten zu sein. „Diese Woche haben wir mit den Vorarbeitern und Baggerführern um jeden Baum, jeden Strauch und jeden Quadratmeter noch unverdichteten Boden gekämpft“, erzählt Max. Die Initiative drängte die Bauarbeiter dazu, den Sicherheitsabstand zu den neuen Gleisanlagen erneut zu überprüfen. Um so zu verhindern, dass sie mehr Bäume roden als unbedingt nötig. Am Ende konnten sie so 18 Bäume retten, während neun gefällt werden mussten. „Das war bitter. Hat uns aber motiviert, unseren Einsatz für ein grünes Bahnhofsviertel weiter voranzutreiben“, erklärt Max.
So geht es weiter in Langenlois
Die Bauarbeiten am Bahnhof Langenlois werden voraussichtlich Ende des Jahres abgeschlossen sein. Bis dahin sind Max, Marion und viele weitere Anrainer:innen täglich am Bahnhof anzutreffen. Mit dem Ziel, möglichst viele Bäume, Sträucher oder Grünfläche zu retten.
„Die Bürgerinitiative hat uns gezeigt, dass es sich lohnt, sich zusammenzuschließen .“
Geplant sind außerdem weitere Gespräche mit den Vertreter:innen der ÖBB und der Gemeinde. „Die Bürgerinitiative hat uns gezeigt, dass es sich lohnt, sich zusammenzuschließen und gemeinsam für eine Sache starkzumachen. Das empfehle ich auch allen anderen Bürger:innen, die aktiv an der Umgestaltung ihrer Gemeinde teilhaben möchten“, erklärte Max. Anfang 2024 startet zudem das Pilotprojekt Transformator:in. Dabei sollen die Bürger:innen aus Langenlois die Flächen am Bahnhof – die nicht für die Versickerungsanlage und die Bahngleise benötigt werden – mitgestalten können. „Auch dort werden wir unsere Vision eines grünen, bepflanzten, schattenspendenden Freiraums einbringen. Wir sind zuversichtlich, dass unsere Vorstellung eines klimafreundlichen Bahnhofsviertels Wirklichkeit wird“, hoffen Marion und Max. Langenlois ist ein gutes Beispiel dafür, dass Einsatz und Entschlossenheit von Bürger:innen etwas bewirken kann.
Für Unterstützung und Erfahrungsaustausch mit ähnlichen Initiativen sind die Langenloiser:innen übrigens immer offen. Schatten statt Hitze!“ unterstützen.